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Trennungsängste

Die Koalition auf der Kippe  ■ K O M M E N T A R

Ein Wunder ist es nicht, daß die Koalition nun auf der Kippe steht. Die Gewichte sind einfach schief verteilt. Die SPD hat - dank Mompers Popularität - zu viele Muskeln, die AL mit ihren aberwitzigen Entscheidungsstrukturen - zuwenig Hirn. Nur der Zufall will es, daß Stromtrasse und Kohl -Museum zu den Steilwänden wurden, an denen die AL endlich auch einmal Muskeln zeigen will. Nach vielen Monaten des Schwankens zwischen dem Kleinmut der Senatorinnen und dem Übermut der Basis müssen die Alternativen sich allerdings fragen, ob es nicht längst zu spät ist - selbst für einen geordneten Rückzug. Viele von ihnen stellen sich die Frage, die bei jeder Trennung ansteht: Gelingt es ihnen, als erste Schluß zu machen, ohne daß die Schuld für den Bruch bei ihnen landet?

Momper hat schließlich längst begonnen, die AL der Untreue zu überführen. Und die Stromtrasse kommt ihm da sehr zupaß. Der Vorwurf, sie sattle plötzlich drauf, der trifft die AL hier zu Recht. Den Konflikt um das Großprojekt, den hätte die AL-Senatorin Schreyer schon vor einem halben Jahr eröffnen müssen: Entweder mit der SPD oder mit ihrer alternativen Basis. Beide Konfrontationen hat sie damals gescheut. Die Entscheidung über die Trasse durfte ein Rechtsgutachter fällen. Die zu Recht mißtrauische AL-Basis ließ sich das nicht gefallen, doch mit ihrem Kompromiß kam Schreyer viel zu spät.

Anders beim Museumsbau: Hier war es SPD-Kultursenatorin Martiny, die auf Mompers Geheiß Vereinbarungen gebrochen und Zusagen zurückgenommen hat. Setzt sich Senatorin Schreyer an diesem Punkt nun doch noch durch, dann kann die AL mit einem Erfolg und erhobenen Hauptes die Senatssitzung verlassen. Verweigern die Sozialdemokraten selbst diesen Kompromiß, liegt die Schuld am Bruch allein bei ihnen - nicht bei der AL. Vielleicht hat die SPD diese Auffangposition bewußt aufgebaut. Natürlich geht es um einen Kuhhandel. Aber was hat die AL - unter Roßtäuschern - eigentlich erwartet?

Hans-Martin Tillack

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