: Fusions-Fanatiker
■ Die westdeutsche Atomlobby will der DDR eine strahlende Zukunft liefern
Überraschend ist der Plan der bundesdeutschen Atomzunft, die Segnungen ihrer hierzulande ungeliebten Technologie nun der gewendeten DDR anzudienen, wahrlich nicht. Bemerkenswert allerdings die Dreistigkeit, mit der die Westkonzerne in Ost -Berlin mit der Tür ins Haus fallen, noch ehe ihnen dort ein demokratisch legitimierter Verhandlungspartner gegenübersitzt. Eine Regierung Modrow scheint den westlichen Glücksbringern allemal verläßlicher als alles, was eventuell nach dem 6. Mai 1990 kommt.
Die konkreten Modalitäten des ins Auge gefaßten Atomgeschäfts eröffnen tiefe Einblicke in die Seelenlage bundesdeutscher Konzernherren. In ihren Köpfen ist die Wiedervereinigung ganz offensichtlich längst vollzogen. Denn während bei einem „normalen“ Exportgeschäft die Reaktorbauer von Siemens/KWU ihre Meiler selbstverständlich im Auftrag der jeweiligen Stromversorger des Gastlandes errichten, soll der DDR bei dem angepeilten Geschäft die Rolle eines x -beliebigen Bundeslandes zukommen: Die AKW-Produzenten exportieren die Betreiber gleich mit. Die Preussag, bisher zuständig für die Stromversorgung in Niedersachsen, soll künftig auch Brandenburg bedienen und das Bayernwerk neben der blau-weißen Heimat auch gleich Thüringen.
Die bundesdeutsche Atomwirtschaft würde mit diesem Geschäft einen ganzen Fliegenschwarm mit einer Klappe schlagen: Die Auftragsflaute, wäre mit einem Schlag behoben. Die bundesdeutschen Stromkonzerne könnten hoffen, ihre Atomkraftwerke hochzuziehen, bevor in der DDR eine ähnlich lästige Anti-AKW-Bewegung und ähnlich langwierige Genehmigungsregularien gewachsen sind wie hierzulande. Bei in der Bundesrepublik stagnierendem Stromverbrauch könnten sie mit einem Schlag auf ein neues, gewaltiges und wachsendes Absatzgebiet hoffen - auch über die DDR hinaus. Die Abhängigkeit der östlichen Stromverbraucher von den westlichen Gönnern wäre auf unabsehbare Zeit gesichert.
Das geplante Geschäft, so es denn zustande kommt, verbaut der DDR auf einem für jede Volkswirtschaft zentralen Feld alle Möglichkeiten einer eigenständigen, ökologisch sinnvollen Entwicklung. Wo, wenn nicht in der DDR, wäre der schrittweise Ersatz der unglaublich ineffektiven Schrottkraftwerke durch moderne, mit allen Filtern ausgestattete Kohlekraftwerke mit Kraftwärmekopplung angesagt. Und wann, wenn nicht jetzt, müßte das angegangen werden.
Gerd Rosenkranz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen