: Jugoslawien wird neues Mitglied im DM-Club
■ Dinar wird an die Deutschmark gekoppelt / Verzweifelter Befreiungsschlag
Berlin (taz) - Angesichts einer Auslandsverschuldung in Höhe von 19 Mrd. US-Dollar, einer Arbeitslosenquote von offiziell 17% und einer völligen Auszehrung des Geldwertes - die Jahresinflationsrate wird 1989 mehr als 2.000% betragen hat die jugoslawische Regierung die Flucht nach vorn ergriffen. Im Zentrum eines umfangreichen politischen und wirtschaftlichen Reformprogramms steht die Schaffung eines neuen Dinar, dessen Wert 10.000 alten Dinar entsprechen soll. Die Währungsreform soll nach dem Willen der Regierung Markovic am 1.Januar 1990 in Kraft treten. Von diesem Zeitpunkt an sollen die jugoslawischen Bürger an den Bankschaltern ausländische Banknoten in unbeschränkter Höhe erwerben können. Der Gag: Als Wechselkurs, der zunächst einmal bis zum 30.Juni 1990 in Kraft bleiben soll, wurde eine Deutsche Mark gleich sieben Dinar festgesetzt. Gegenüber den anderen westlichen Währungen soll der Dinar im Ausmaß der DM schwanken. Damit würde die jugoslawische Währung an die Deutsche Mark angekoppelt. Begründet wurde dieser Vorschlag, auf dessen Ablehnung durch das Parlament die Regierung mit ihrem Rücktritt reagieren will, mit dem Hinweis, daß die DM derzeit die stabilste Währung des Weltmarktes sei.
Der DM-Club, bislang beschränkt auf die Teilnehmer des EWS -Mechanismus, würde auf diesem Wege ausgerechnet durch ein Land des sozialistischen Blocks erweitert werden. Die Koppelung des Dinar an die DM ist als verzweifelter Versuch zu interpretieren, den rapiden Wertverfall gegenüber den westlichen Währungen aufzuhalten. Allein gegenüber der DM ist der Dinar im Zeitraum November 1988 bis November 1989 um mehr als 1.100% abgewertet worden. Jugoslawische Währungsexperten hatten erst kürzlich prognostiziert, daß der Wertverlust im nächsten Jahr 90.902% erreichen würde, wenn die Abwertung im gleichen Tempo wie in den letzten Wochen weitergehen würde.
Die Ankoppelung könnte aber nur dann zur erwünschten Stabilisierung der Ökonomie führen, wenn dieser Schritt mit einschneidenden innenpolitischen Maßnahmen einhergeht. Noch am unproblematischsten dürfte dabei das Vorhaben sein, Defizite des Staatshaushaltes nicht mehr länger über die Notenpresse der Zentralbank zu finanzieren. Die Zerschlagung der Hyperinflation bedarf neben einer Reduzierung des Staatsdefizits aber auch einer Senkung der Lohnstückkosten, die im Laufe des Jahres dank über der Produktivitätsteigerungen liegender Lohnabschlüsse stark angestiegen sind. Diese hohen sozialen Kosten der Ankoppelungsstrategie wurden von den jugoslawischen Arbeitern unmittelbar nach Verkündigung des radikalen Austeritätsprogrammes erkannt. Bereits für heute wurde ein Warnstreik angekündigt, an dem allein in Belgrad 650.000 Arbeiter teilnehmen sollen. Die Regierung der wirtschaftlich entwickelsten Republik Slowenien hat das Programm wegen seiner Eingriffe in die wirtschaftspolitische Autonomie der Teilrepubliken und seiner unsozialen Wirkungen bereits vehement abgelehnt. Weitere Warnstreiks wurden für Montenegro und Mazedonien angekündigt. Der Befreiungsschlag der Regierung Markovic könnte dann bereits auf der Straße gestoppt werden.
Zausel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen