: Auf der Kant(e)
■ E R E I G N I S D D R
An Hermann Kants Stuhl wird immer kräftiger gesägt. Auch Christa Wolf und Christoph Hein haben sich nun der „Erklärung Berliner Autoren“ (taz vom 18. 12.) angeschlossen, in der die Legitimität des Vorstands beim Schriftstellerverband angezweifelt wird.
Der Schriftstellerverband hat gemeinsam mit den Verbänden der Journalisten sowie der Film- und Fernsehschaffenden zehn Thesen geschaffen für ein neues Mediengesetz. Danach sollen künftig alle Eigentumsformen möglich sein, es dürften jedoch nur natürliche und juristische Personen der DDR Eigentümer werden. Rundfunk und Fernsehen müßten als „Anstalten öffentlichen Rechts“ definiert werden. Zur Kontrolle der Medien sollten gesellschaftliche Räte und Organe der Mitbestimmung gegründet werden.
Gegen das ehemalige Politbüromitglied Günther Mittag soll nun auch die Generalstaatsanwaltschaft ermitteln. Untersuchungsausschuß-Leiter Toepitz deutete an, die Anklage ginge „in Richtung Hochverrat“. Margot Honecker ist für heute vor den Ausschuß geladen.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat zu einer raschen Vereinigung geraten. Zu einem DDR-Boom könne es am ehesten kommen, wenn Integration und Angleichung der Ökonomien von DDR und BRD unter einem „wie immer gearteten gemeinsamen staatlichen Dach“ erfolge. Die Sachverständigen hoffen, sich nicht, wie sonst, in ihren Prognosen zu irren.
Zum ersten Mal ist die Industrieproduktion der DDR gegenüber dem Vorjahr gesunken. Die Güterproduktion verringerte sich um 2,5 Prozent, die Zahl der Beschäftigten ging um 2 Prozent zurück.
Das Diepgen arbeitet fleißig an der Loslösung West-Berlins vom freien Westen: eine von West- und Ostberlinern gewählte Berliner Versammlung“ solle eine gemeinsame politische Willensbildung ermöglichen und den geplanten Großberliner Regionalausschuß beraten und kontrollieren. Wählen dürften selbstverständlich nur „deutsche Berliner“.
Deutsche Saalfelder haben jetzt zugegeben, in ihrer Funktion als Stasi-Leute zehn Prozent aller Briefe über Wasserdampf geöffnet, gelesen, protokolliert und gegebenenfalls ihres monetären Inhalts entledigt zu haben. 4.000 Mark seien pro Woche angefallen.
Ab sofort dürfen Karren, Mühlen und Öfen durch die DDR röhren: Motorradfahrern ist die Einreise an allen PKW -Übergangsstellen erlaubt worden. Um den Ansturm zu bewältigen, werden bis Weihnachten weitere Passierstellen in den Schutzwall gebrochen, und zwar in: Lübbow (Niedersachsen), Grafhorst (Niedersachsen), Leinbach (Hessen).
Nur für Fußgänger, Radler und Mofafahrer werden geöffnet: Bad Helmstedt (Niedersachsen), Willershausen (Hessen), Wommen (Hessen), Theobaldshof (Hessen) und Rasdorf. Schon heute steht Fußgängern und Radfahrern der Übergang Vienenburg in Niedersachsen offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen