: Es herrscht Standrecht
Ein österreichischer Augenzeuge berichtet aus Rumänien ■ D O K U M E N T A T I O N
Es kam zu Ausschreitungen, die in einem Pogrom endeten. Strom gibt es überhaupt nicht mehr, zehn Minuten konnten wir gerade noch Radio hören heute. (...) Schüsse sind zu hören und Hubschrauber fliegen über die Stadt. Es ist das Chaos hier in Temeswar. Zu kaufen gibt es auch nichts mehr. Tote über Tote. Aus zuverlässiger Quelle habe ich gehört, daß heute ein Offizier und zwei Soldaten exekutiert wurden. Es herrscht das Standrecht, die Leute wurden erschossen, weil sie sich geweigert hatten, gegen ihre eigenen Leute vorzugehen. (...) Ich fürchte, die Zahl der Toten mit 400 ist untertrieben. Die Innenstadt ist vollkommen verwüstet. Ich spreche hier von der Leitung, in Rumänien gibt es zwei Leitungen, eine öffentliche und eine des Staatsgeheimdienstes Securitate. Hier wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Ich verwende eine Leitung, die es offiziell gar nicht gibt. Wir sind hermetisch von der Außenwelt abgeschnitten. Es gibt kein Herauskommen. Die Bevölkerung bittet die Außenwelt: „Helft uns, laßt es nicht zu einem Völkermord kommen.“ LKWs mit Kubikmeter Leichen fahren durch die Stadt. Angeblich werden sie (...) verbrannt. Hier gehen die Meinungen auseinander, ich versuche zu differenzieren, ich kann es aber nicht. Im Augenblick sieht es so aus, als wenn die Verfolgungen gegen die jeweiligen Minderheiten im Gange sind, Leute werden wahllos aus ihren Wohnungen herausgezerrt. Es spielen sich unbeschreibliche Dinge hier ab.
Diesen Bericht übermittelte ein 42jähriger österreichischer Angestellter über die Leitung des rumänischen Geheimdienstes aus Temeswar dem österreichischen Rundfunk.
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