KPTsch sucht Erneuerung

■ Parteitag der Kommunistischen Partei trennt sich von alten Statuten / Neuer Weg heftig umstritten / Generalsekretär Urbanek empfiehlt Delegierten, der Wahl Havels zum Präsidenten zuzustimmen

Prag/Berlin (afp/ap/taz) - Als erste Amtshandlung hoben gestern die tschechoslowakischen Kommunisten auf ihrem Sonderparteitag die bisher gültigen Statuten der KPTsch auf. In seiner Eröffnungsrede erklärte ihr Generalsekretär, Karel Urbanek, dessen Wiederwahl selbst fraglich ist, die Partei habe endgültig mit der früheren „neostalinistischen, dogmatischen Haltung gebrochen“. Der Umstand allerdings, daß bis vorgestern den Delegierten noch keine Tagesordnung vorgelegen hatte, deutet darauf hin, daß der neue Weg der KP keineswegs unumstritten ist. Zu den 1.500 Delegierten gehören auch 50 Teilnehmer, die sich vor kurzer Zeit dem „Kommunistischen Demokratischen Forum“, einer Reformerplattform innerhalb der Partei, angeschlossen haben. Auch ehemalige Parteimitglieder, die nach dem „Prager Frühling“ ausgeschlossen worden waren, nehmen als Gäste teil.

Gleich die ersten Diskussionen auf dem Kongreß waren von offener Konfrontation gekennzeichnet. Allein anderthalb Stunden brauchten die Delegierten, um Verfahrensfragen zu klären. In diesem Zusammenhang wurde der Sitzungspräsident heftig kritisiert, weil im „Arbeitspräsidium“ der Partei auch noch Vertreter der alten Führung säßen. Während des Parteitages soll die gesamte Führung neu gewählt werden.

Die Aufgabe des Parteitages skizzierte Urbanek mit der Suche nach „einem realistischen Weg für die kommenden fünf Jahre“. Zu den wichtigsten Vorhaben des Parteitages“, der unter dem Motto „Erneuerung“ läuft und diesmal ohne rote Fahnen auskommt, gehört die Zustimmung zur Wahl des Staatspräsidenten noch in diesem Jahr.

Bereits vorgestern abend hatte Ministerpräsident Calfa die aus zwei Kammern bestehende Bundesversammlung aufgefordert, Vaclav Havel zum neuen Präsidenten der Republik zu wählen. Havels Wahl sei die Garantie für eine moralische Erneuerung in Erwartung der freien Parlamentswahlen. Mehr als ein Drittel seiner Regierungserklärung widmete Calfa den anstehenden Reformen der Wirtschaft des Landes. Dabei präsentierte er sich als ein Parteigänger der Marktwirtschaft, die es als langfristiges Ziel, mit allen „ihren Vor- und Nachteilen“ einzuführen gelte. Experimente, die auf wirtschaftliche Mischformen bauen, schloß er aus. Dies könne sich die Tschechoslowakei in der jetzigen Situation nicht erlauben. Neben einem Wiedereintritt in den IWF und die Weltbank kündigte er an, sein Land werde in erster Linie seine wirtschaftlichen Kontakte zu Europa, den USA und Südostasien ausbauen. Über die weiteren Beziehungen zum Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) soll erst nach einem radikalen Umbau, für den die neugebildete Regierung eintrete, entschieden werden.