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Splitting im Startbahn-Prozeß

In dem Mammuttribunal werden drei weitere Verfahren abgetrennt / Bisherige Beweisaufnahme gleicht Stochern im Nebel / Illegale Verhörmethoden bei wichtigen Zeugen / Bisher gibt es vier Urteile  ■  Aus Frankfurt Michael Blum

Schon am 2. oder 4. Januar 1990 - den ersten Prozeßtagen nach der Weihnachtspause - werden im Startbahn-Prozeß vor der Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht Frankfurt drei weitere Verfahren abgetrennt. Gegen die im Mammutprozeß der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ angeklagten Ina T., Reiner H. und Andreas S. wird dann in einem eigenen Verfahren verhandelt. Über den 129a-Vorwurf hinaus sind noch Andreas Eichler und Frank Hoffmann des zweifachen gemeinschaftlichen Mordes an zwei Polizisten an der Startbahn-West des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens am 2. November 1987 sowie des zweifachen Mordversuchs angeklagt. Dieser Kern des eigentlichen Startbahn-Prozesses wird parallel zum abgetrennten Verfahren verhandelt.

Ursprünglich waren die neuerlichen Abtrennungen vom Senat bereits für November angekündigt worden. Die Beweisaufnahme in Sachen „terroristische Vereinigung“ zog sich jedoch in einem juristischen Marathon immer wieder in die Länge. Anklagekonstrukte der Bundesanwaltschaft (BAW) zerbrachen in den vergangenen Monaten im Gerichtsverfahren stets aufs neue.

Bislang blieb die BAW jedwede Legitimation für das zur Zerschlagung der Startbahnbewegung benutzte Verfahren schuldig. Zeugen, die unter den Eindrücken der Schüsse teils unter mysteriösen und nach Meinung der Verteidigung „illegalen“ Umständen belastende Aussagen gemacht hatten, widerriefen diese vor Prozeßbeginn. Während der Verhandlung verweigerten sie zum Teil die Aussagen. Zwar verhängte der Senat Ordnungsgelder, jedoch sah er von der Beugehaft -Anordnung ab und erkannte in den meisten Fällen ein Aussageverweigerungsrecht an.

Die letzten beiden Monate gehörten dem Streit der Parteien vor Gericht über eine Vernehmung des Startbahngegners Baldur 0. Im Dezember 1987 hatte 0. in seinen Aussagen Frank Hoffmann schwer belastet. Schon im Januar 1988 hatte er aber seine Aussagen zurückgezogen. Grund: sie seien erpreßt worden. Was jetzt im Startbahn-Prozeß über die Vernehmungen bekanntwurde, veranlaßte die Verteidigung, die Unverwertbarkeit der damaligen Aussagen von O. zu fordern. In der Vernehmung am 2. und 3. Dezember 1987 nahmen außer Vernehmungsbeamten des Hessischen Landeskriminalamtes (HLKA) auch der Sitzungsvertreter der BAW, Oberstaatsanwalt Klaus Pflieger, teil.

Während seiner Vernehmung als Zeuge erlebte Baldur 0. damals eine seltsame Wandlung zum Beschuldigten; er wurde in Haft genommen. Der Kontakt mit einem Rechtsbeistand wurde verwehrt. Erst nachdem er den Erpressungen - so sei er auf den möglichen Verlust seiner neuen Arbeitsstelle und auf eine mehrjährige Haftstrafe wegen Strafvereitelung hingewiesen worden - und Drohungen - „ich reiß dir jetzt den Arsch auf“, „ich werf dir die Schreibmaschine an den Kopf“ nachgegeben, den Vernehmungsbeamten die von ihnen gewünschte „Wahrheit“ aufgetischt habe, sei er entlassen worden.

Für den Senat indes kein Problem: Bei den Verhören von Baldur 0. habe es keine ungesetzlichen Verhörmethoden gegeben, seine Aussagen seien daher verwertbar. In Zusammenhang mit dem Streit um die Aussagen von Baldur 0. unterlief der sonst auf Erinnerungslücken eingeschworenen Combo von Polizeizeugen auch ein schwerer, allerdings folgenloser Fehler: Dirk Stippig (24), einer der Vernehmungsbeamten und damals in der Staatsschutzabteilung des HLKA, gab während der Verhandlung unverhohlen zu, daß ihn der Berichterstatter des 5. Strafsenats, Kern, telefonisch nicht nur übers Beweisthema informiert, sondern auch konkrete Vorwürfe von 0. mitgeteilt habe.

Befangenheitsanträge gegen den Richter und in der Folge gegen den Senat scheiterten an der beispiellosen Ignoranz der Staatsschutzrichter. Bislang hat die Verteidigung über drei Dutzend Befangenheitsanträge eingebracht - allesamt umsonst. Während der Vorsitzende Richter Dr. Erich Schieferstein in dem bislang zehnmonatigen Verfahren teils souverän, teils im Gegensatz zu anderen Richtern auf die Einhaltung richterlicher Ausgewogenheit drängte, waren es immer wieder die Hardliner in der Senatsriege, Kern und Klein, die prozessuale Rechte der Angeklagten und Verteidigung einzuschränken versuchten. VerteidigerInnen wurden bislang systematisch unterbrochen, wenn Polizeizeugen bei der Vernehmung ins Schleudern gerieten. Der BAW wurde obwohl die Verteidigung das Fragerecht hatte - die Abgabe belehrender Monologe erlaubt. Folge: die Zeugen der Anklage hatten Luft, konnten sich fangen, Widersprüche entkräften.

Seit der Sommerpause ist es dem Senat nicht gelungen, die erst sehr spät angelaufene Aussagenverweigerungskampagne „Artur hält's Maul“ zu durchbrechen. Doch schon bald könnte ein Umdenken nötig werden: Die RechtsanwältInnen der neuerlich abgetrennten Angeklagten hielten es in einem Gespräch mit der taz für möglich, daß wesentliche Entkräftungen des 129a-Vorwurfs nur über Aussagen laufen könnten. Bislang wurden in dem Marathon-Prozeß vier Urteile gesprochen: Die StartbahngegnerInnen wurden wegen Anschlägen auf Strommasten zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Unter ihnen ist auch Mike K., der wegen seiner belastenden Aussagen in der Szene als „Verräter“ gebrandmarkt wurde. Vor Gericht hatte er seine Aussagen widerrufen und die Aussage verweigert.

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