: Kohl als Zampano
■ Kritische DDR-Pressestimmen zum Dresdner Gipfel
Berlin (dpa/adn) - Der deutsch-deutsche Gipfel in Dresden stand auch am Donnerstag im Mittelpunkt der Kommentare der zentralen DDR-Presse. Das Zentralorgan der SED-PDS 'Neues Deutschland‘ bezieht sich auf die Rufe für Kanzler Kohl und kommentiert: „Ja, wofür, wozu eigentlich? Als den großen Zampano, der mit dem Zauberstab uns von allen unseren Problemen und Sorgen befreit? Der die Wirtschaft flott, die Straßen glatt, die Währung hart macht? Der Mühe werden wir uns selbst unterziehen müssen. BRD-Unternehmen lassen übrigens keinen Zweifel daran, daß sie das Angebot zur Zusammenarbeit als Hilfe zur Selbsthilfe auffassen.“
Die 'Berliner Zeitung‘ stellt fest: „Tatsache ist wohl, daß beide Seiten den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun wollen. Das heißt, die nunmehr gebildete gemeinsame Wirtschaftskommission erarbeitet alle rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für den künftigen Einsatz bedeutender Investitionshilfen. Dafür will die Bundesregierung umfangreiche Mittel - die nicht als Geschenk zu verstehen sind - bereitstellen.“
Die Zeitung der Jugendorganisation der SED, 'Junge Welt‘, sieht in dem Gipfel eine Gefahr: „Es scheint so, als ob unser Volk auf eine neue Spaltung zutreibt - in die, die für eine bedingungslose Angliederung der DDR an den großen westlichen Nachbarn sind, und jene, welche die Eigenständigkeit unseres Landes bewahren wollen.“
Die Zeitung der National-Demokraten der DDR, 'National -Zeitung‘, kommentiert über das Umfeld des Gipfels in Dresden: „Die Fernsehbilder zum ersten Besuchstag Helmut Kohls in Dresden hinterließen einen zwiespältigen Eindruck.“ Doch mit euphorischen Emotionen sei keine Politik zu machen. Dringend bleibe zu wünschen, daß Modrows Forderung nach Besonnenheit richtig verstanden und auch zur Maxime politischen Denkens und Handelns des Mannes auf der Straße werde.
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