: Rückblick auf das Jahr 1990
■ Bremer SPD will reinen Frauen-Senat, NDR sendet 5. Welle, „Rififi-Drama“
Schneller um die Jahreswende auch von Insidern erwartet hat sich die Finanzkrise von Radio Bremen zu einem medienpolitischen Erdrutsch gemausert: Dem kleinen, aber innovativen Sender wurde vom WDR klargemacht, daß man sich den Luxus an der Weser für nicht meßbare Einschaltquoten nicht länger leisten wolle. Radio Bremen ging in die Knie, das Funkhaus wurde an den NDR verkauft, der in seinem „Landesstudio Bremen“ seit dem 1. September eine fünfte Welle produziert. Karola Sommerey, die mit ihren gnadenlosen Sparvorschlägen sich gegen die Interessenvertretung der Belegschaft nicht durchsetzen konnte, ist als „feste Freie“ an den Bosperus gegangen.
Das Jahr 1990 wird in die Bremensien als Jahr der Wende eingehen. Es begann mit einem großen Theater-Krach: Der Intendant des Bremer Theaters, Tobias Richter, mußte gehen, der ex-Senator Horst-Werner Franke selbst will sich der Verantwortung stellen und als Intendant die Verantwortung für das Theatergeschehen übernehmen. Daß der im Herbst 1989 einsetzende Schwund-Trend beim Publium sich umkehrte, hat allerdings andere Gründe. Oberspielleiter Andras Fricsay Kali Son wechselte zu Harley Davidson und seitdem ist jede Vorstellung ausverkauft.
Verloren hat Bremen 1990 auch seinen dynamischen Präsidenten des Senats, Klaus Wedemeier. Der Querelen seiner Partei müde geworden übernahm der gelernte Kaufmann die Leitung des ehemaligen Gewerkschafts-Konzerns Coop in Frankfurt. Die Geduld Wedemeiers, der in der Vergangenheit verschiedene Abstimmungsniederlagen geduldig ertragen hatte, war von zwei Entscheidungen überstrapaziert worden: zunächst hatte die Partei entgegen seiner Warnung die vier zur SPD übergelaufenen Grünen-Parlamentarier - aufgenommen. Nach einer heftigen Auseinandersetzung über ungeschickte Bemerkungen des Bürgermeisters zur Qualifikation seiner weiblichen Senats-Mitglieder war dann in der Partei ein erbitterter Streit ausgebrochen, auf dessen vorläufigem der Beschluß de Delegierten stand, den nächsten Senat ausschließlich mit Frauen zu besetzen und nur die Spitzenposition auch für einen Mann - eben Wedemeier - offen zu halten.
„Das Ereignis des Jahres“ in Bremen hat weder mit Politik noch mit Kultur zu tun: das „Rififi-Drama“. Durch einen 70 Meter langen Tunnel war es Unbekannten gelungen, die im Rahmen der Ausstellung „Peter der Große“ gezeigte Krone des Zaren aus der Vitrine im Überseemuseum zu entwenden. Der Verlust beläuft sich auf 17 Millionen Mark. Wie im Nachhinein bekannt wurde, waren die Ausstellungsstücke aus Spargründen nicht versichert.
Rosi Roland
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