Ölpest bedroht Marokkos Küste

■ Regierung in Rabat bittet um internationale Hilfe / Tiefseeforscher Cousteau kritisiert verspätete Reaktion auf Tankerunglück / 100.000 Arbeitsplätze gefährdet / 70.000 Tonnen Öl ausgelaufen

Rabat/Paris (ap/afp) - Der fast 600 Quadratkilometer große Ölteppich aus dem havarierten iranischen Supertanker „Khark 5“ droht Marokko in die größte Umweltkatastrophe seiner Geschichte zu stürzen. Der Schlick, der jetzt nur noch knapp 30 Kilometer von der Küste entfernt ist, gefährdet der marokkanischen Nachrichtenagentur 'mpa‘ zufolge zudem rund 100.000 Arbeitsplätze im Fischerei- und Tourismusgewerbe. Die Regierung in Rabat hat am Wochenende Großbritannien, Frankreich, Spanien und Portugal ersucht, bei der Beseitigung der 70.000 Tonnen ausgelaufenen Rohöls zu helfen. Sollten sich diese Angaben bestätigen, hätte der ausgelaufene Ölteppich fast die Ausmaße des katastrophalen Unglücks des Supertankers Exxon Valdez vor der Küste Alaskas.

Die Pariser Regierung hat bereits die Entsendung einer Expertenkommission unter Leitung von Umweltminister Brice Lalonde angekündigt. Sie soll sich einen Eindruck vom Ausmaß der Katastrophe verschaffen und entscheiden, welche Gegenmaßnahmen getroffen werden können. Die spanische Regierung hat ebenfalls auf das Hilfsersuchen reagiert und ein Schiff mit chemischen Lösungsmitteln in das Katastrophengebiet geschickt.

Der ebenfalls um Hilfe gebetene französische Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau kritisierte die zu spät erfolgte öffentliche Reaktion auf das Unglück. Die Explosion an Bord der „Khark 5“ sei bereits am 19.Dezember erfolgt, doch durch die Feiertage und die Ereignisse in Rumänien sei die Nachricht völlig in den Hintergrund gedrängt worden. Außerdem prangerte Cousteau erneut die skandalösen Sicherheitsverstöße in der Schiffahrt durch Tanker und Frachter unter Billigflaggen und mit zumeist wahllos angeheuerten Besatzungen an.

Das Öl war nach der Explosion auf dem iranischen Supertanker 250 Kilometer nördlich von Gran Canaria ins Meer geströmt. Die 35köpfigen Besatzung gab das Schiff auf. Ein sowjetischer Trawler barg die Schiffbrüchigen und brachte sie nach Las Palmas auf Gran Canaria. Der aufgegebene Tanker hatte 270.000 Tonnen Öl geladen, das vom Persischen Golf nach Rotterdamm transportiert werden sollte. Seither treibt es im Atlantik rund 200 Meilen nördlich der Kanaren-Insel Lanzarote und 100 Seemeilen westlich der marokkanischen Küste. Der Havarist befand sich am Sonntag nur noch 70 Kilometer westlich von der Stadt Safi.

Bergungsmannschaften versuchten bisher vergebens, das Leck im Rumpf des Schiffes abzudichten. Laut 'mpa‘ hatten sie auch wenig Glück mit Versuchen, den Ölteppisch, dessen Fläche fast anderthalb mal so groß ist wie West-Berlin, aufzulösen.

Im vergangenen Frühjahr war der Tanker Exxon Valdez vor der Küste Alaskas auf ein Riff gelaufen und hatte die größte Ölpest in der geschichte der USA ausgelöst. 42 Millionen Liter Rohöl strömten ins Wasser und verseuchten rund 1.100 Kilometer der Küste. Auch Monate nach dem Unglück wurden noch Ölklumpen und tote Vögel angeschwemmt.