: Die 80er Jahre: Ein Jahrzehnt der Aktie ohnegleichen
■ Auch die kalte Dusche AEG und beide Kurseinbrüche von 87 und 89 haben den Spekulanten das Portefeuille nicht leeren können / Eine kleine Rückschau von McCash Flow
Das Jahrzehnt fing ganz harmlos an - von 1980 bis 1982 war mit Aktien kein Staat zu machen. Steigende Zinsen, Ölpreiserhöhungen und eine schwache Konjunktur lasteten auf dem Markt. Im März 1981 erreichte die Rendite für festverzinsliche Papiere mit 11,5 Prozent ihr historisches Hoch, die Aktienbörsen lagen danieder, der (zurückgerechnete, weil erst 88 eingeführte) bundesdeutsche DAX-Index fiel in jenem Februar auf den tiefsten Stand des Jahrzehnts: 468 Punkte.
Mit Beginn des Jahres 1982 begann der US-Dollar zu steigen, die Zinsen legten den Rückwärtsgang ein, die Konjunktur belebte sich, die Aktienkurse rappelten sich langsam nach oben. Doch dann machte ein Keulenschlag alles zunichte: Die AEG stellte den Vergleichsantrag und löste eine Verkaufswelle aus. Der Index ging auf Talfahrt.
Anschließend wurde plötzlich wieder alles völlig anders: Der „Zinspapst“ Henry Kaufman wendete sich vom Schwarzseher zum Optimisten, die US-Regierung lockerte ihre Geldpolitik, und die Börse in Wallstreet reagierte prompt mit einer Hausse. Auch in der Bundesrepublik begannen die Kurse zu klettern, und ein Zugewinn von 11 Prozent bis zum Jahresende 1982 deutete an, daß eine in der Geschichte der Börsen beispiellose Aufwärtsbewegung kommen sollte.
1983 legte der bundesdeutsche Index um 40 Prozent zu, 1984 folgte (wegen schwerer Arbeitskämpfe) eine Verschnaufpause mit einem Plus von nur 6 Prozent. Im Jahr 1985 dann der erste Höhepunkt der Hausse: Deutsche Aktien stiegen in einem Jahr um 65 Prozent, der DAX erreicht 1.366 Punkte. Und alles deutete darauf hin, daß es 1986 so weitergehen würde: Der Ölpreis sackte in kaum vorstellbare Tiefen, die Inflation bewegte sich gegen Null, und Kaufaufträge für Aktien gingen waschkörbeweise ein. Furore machten vor allem Neuemissionen: Mit Henkel, Porsche, Nixdorf, Boss, Feldmühle und anderen Newcomern ließen sich glänzende Geschäfte machen, die Ausgabepreise verdoppelten sich im Nu. Der Turnschuhhersteller Puma, für 310 DM herausgegeben, sprang in wenigen Wochen auf knapp 1.500 DM - und fast ebenso schnell brach der Kurs wieder zusammen und hinterließ einen Vorgeschmack auf das, was 1987 kommen sollte.
Der Dollar sackte immer deutlicher nach unten, die Exportgewinne der BRD-Industrie schmolzen dahin, die Hausse geriet ins Stottern. Die Kurse hielten sich in den ersten drei Quartalen relativ stabil, doch dann kam der Crash: Die Börse in Wallstreet kollabierte, und der DAX-Index mußte am 19. Oktober einen Tagesverlust von 10 Prozent hinnehmen, den größten der Geschichte. Übers Jahr bescherte der Crash den deutschen Aktien ein Minus von gut 30 Prozent, und nicht wenige sahen die Börsen-Hausse nach fünf Jahren endlich am Ende.
Doch wieder kam es anders: Allen Pessimisten zum Trotz zeigte das Börsenthermometer Ende 1988 ein Plus von 32 Prozent an - wobei die deutsche Börse im internationalen Vergleich bei dieser Crash-Aufholjagd noch ziemlich hinten lag. An anderen Plätzen waren die Verluste des „Schwarzen Montags“ schon nach wenigen Wochen wieder wettgemacht.
Zum Jahresbeginn 1989 schien alles wieder eitel Sonnenschein, die Crash-Wunden waren verheilt, die Konjunktur brummte: Wenn überhaupt, so befanden die Konjunkturprognostiker, würde die Rezession als weiche Landung und nicht mit einem harten Schlag einsetzen. Doch kaum hatte man sich, mit langsam kletternden Kursen im Frühjahr und Sommer, daran gewöhnt, daß auch mit dem 7. fetten Börsenjahr die Hausse noch nicht zu Ende ist, da crashte es erneut in Wallstreet: 7 Prozent verlor der Dow -Jones-Index am 13.Oktober, und mit Zeitverzögerung griff die Panik nach Frankfurt über: Mit einem Tagesverlust von 13 Prozent setzte sich die deutsche Börse an die Spitze der Crash-Verlierer. Die vom 1987er Krach verschreckten Privatanleger, die sich langsam wieder ins Börsengeschäft zurückgetraut hatten, wurden erneut mit einer kalten Dusche bedacht.
Doch wiederum gingen die Börsen zur Tagesordnung über, in wenigen Tagen nur wurden die Verluste aufgeholt. Ende Oktober firmierte der bundesdeutsche Index auf dem Stand vor dem „Mini-Crash“ und schien auf der Stelle zu treten - bis zum 9.November. Die Öffnung der DDR brachte schon vor Silvester ein wahres Kursfeuerwerk an der deutschen Börse ausländische Investoren orderten Blue chips wie Siemens, Daimler oder VW in Mengen, der letzte Börsentag brachte neue Umsatz- und Kursrekorde. Das Jahr 1989 endete mit einem Index-Plus von 34 Prozent, einem satten Gewinn, der die 80er endgültig zum Jahrzehnt der Aktie stempelte: Seit Beginn der Hausse 1982 haben sich die Aktienkurse in der Bundesrepublik auf 1.790 Punkte mehr als verdreifacht. Und die politischen Ereignisse haben dafür gesorgt, daß kaum jemand mit einem Ende dieses beispielosen Booms rechnet. Osteuropaphantasie und Deutschlandperspektiven könnten dafür sorgen, daß die 90er Jahre auf die Hausse der 80er durchaus noch eins draufsetzen.
Genauso schnell freilich, wie das Rad der Geschichte die Stimmung an der Börse nach oben treibt, könnte die Weltpoltik in Windeseile für das Gegenteil sorgen: Was passiert, wenn Gorbatschow stürzt? Wie reagiert Europa auf die großdeutsche Liaison? Wann kracht das schlingernde Weltschuldenkarussell zusammen? In den 90er Jahren, soviel darf prophezeit werden, ist das Börsenparkett glatter denn je - mit großen Chancen, aber auch mit gewaltigen Risiken.
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