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Antifaschismus und Wahlkampf

■ Der bequeme Ausweg der SED

Das Erschrecken über die Schändung des sowjetischen Ehrenmales in Treptow, über die Verwüstung des Ehrenhaines, über neofaschistische Parolen in der DDR ist nur zu gerechtfertigt. Nichts verständlicher, daß dagegen protestiert und demonstriert wird. Die SED, die dazu aufrief, dürfte nachgerade auf eine gesamtdeutsche Zustimmung hoffen. Aber so, wie sie aufrief, hat sie nicht einmal im Ansatz eine Einigkeit unter den DDR-Parteien und Gruppen erreicht. Statt dessen gibt es einen gehässigen Erbschaftsstreit zwischen SED und SDP um die antifaschistische Tradition.

Es sind die Nebentöne und die prompt einsetzende Aufrufroutine, die mißtrauisch machen. Da kündet das Fernsehen nicht von einer Demonstraion, sondern gleich von einer „Kampfdemonstration.“ Da wird eine „Einheitsfront gegen rechts“ gefordert: „Dieses Land wurde aus dem Antifaschismus geboren! Laßt es nicht zur Heimstatt der Neofaschisten werden!“ Alle Betroffenheit der Verfasser unterstellt, fragt man sich doch, ob sie an diesen Entstehungsmythos DDR glauben und eine solche Prognose ernsthaft erwägen. Eher schon ist da der Verdacht der SDP naheliegend, hier werde ein Spiel mit der Angst betrieben.

Der Antifaschismus als Legitimation des realsozialistischen Staates ist ruiniert. Als Rechtfertigungsideologie hat er vor allem eines verhindert: eine wirksame Auseinandersetzung mit den rechten Tendenzen im eigenen Land. Antifaschismus als Legitimation im Wahlkampf macht die SED nicht glaubwürdiger, dafür aber den Antifaschismus unglaubwürdig. So, wie die SED gegen die Gefahr von rechts trommelt, ist genau dies zu befürchten. Da die Partei nach wie vor ratlos den Scheiterhaufen ihrer stalinistischen Vergangenheit anstarrt, ist der Weg gewiß verführerisch, sich um einen sicheren Kern einer unveräußerlichen Identität zu scharen. Antifaschismus als Wagenburgmentalität und Wahlkampf als Abwehrkampf, das wäre der bequemste und fatalste Ausweg aus der unbewältigten Gegenwart der Partei.

Das ideologische Muster ist schon da, in Andeutungen zwar; ein Muster allerdings, das nur Andeutungen braucht, weil schließlich 40 Jahre Agitprop längst schon gewirkt haben: liest man das 'Neue Deutschland‘, dann kommt die neofaschistische Gefahr von der anderen Seite, steht im vagen Zusammenhang von Wiedervereinigung und Ausverkauf. Sicher, Beispiele für Machenschaften der „Republikaner“ und der Wiking-Jugend gibt es. Das alles verdeckt aber das Wichtigste: daß es einen hausgemachten DDR -Rechtsradikalismus gibt. Darüber wäre zu reden. Wenn jedoch die SED einen Wahlkampf für eine DDR-Souveränität als Kampf gegen die Schönhubers betreiben will, demagogisiert sie nicht nur, sondern schiebt einen guten Teil der DDR -Bevölkerung nach rechts. Aber: Trotz der neofaschistischen Zeichen an der Wand stehen am 6. Mai wichtigere Dinge zur Wahl als die Wahl zwischen SED und „Republikanern“.

Klaus Hartung

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