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Bauminister gegen „Plattenmafia“

■ DDR-Minister Baumgärtel (CDU) will Architekten stärken und Monopol der Großplattenbetriebe brechen / Auch Privateigentum an Baubetrieben soll es künftig geben

Berlin (taz) - Prof. Gerhard Baumgärtel, neuer DDR-Minister für Bauwesen und Wohnungswirtschaft und CDU-Mitglied, legte sich in einem Interview der 'Neuen Zeit‘ gestern ziemlich direkt mit der Bauwirtschaft, auch „Plattenmafia“ genannt, an. Der als aufgeschlossen geltende Minister kritisiert, daß die Großplattenbauweise zur „Staatsdoktrin“ geworden sei. „Flexiblere und ökonomisch günstigere Bauweisen“ seien dadurch unterdrückt worden. Ergebnis: „Im ästhetischen Niveau oft anspruchslose Wohn- und Industriegebiete und ein besorgniserregender Bauzustand“. Vor allem hätten der Auftraggeber und die „Projektierung“ der „ökonomischen Macht der Kombinate kaum etwas entgegenzusetzen.“

Was Baumgärtel anspricht, ist die Tatsache, daß die Großplattenbetriebe faktisch die gesamte Bauwirtschaft beherrschen. Einmal flossen die staatlichen Investitionen in diese Kombinate. Zugleich ist mit jeder Plattenserie ein Spezialistenteam von Monteuren verbunden. Sie üben einen starken Druck nach Auslastung aus. Zum dritten beherrschen die Kombinate den Materialfluß. Die sogenannten Projektierungsbetriebe sind Planungsbüros für die Stadtplanungen. Aufträge und Planung wird vom Angebot der Plattenserien bestimmt. Baumgärtel fordert denn auch „neue rechtliche Regelungen“, wodurch die Projektierungsbetriebe „die erforderliche Selbständigkeit“ erhalten und die Auftraggeberseite gestärkt wird.

Zielvorstellungen: „Stärkere Berücksichtigung städtebaulicher und ökologischer Gesischtspunkte“ und Abbau „der Disproportionen beim Einsatz der Investitiionsmittel“. Die Stadtplanung soll also nicht mehr dazu da sein, die „Plattenmafia“ zu beschäftigen. Empfohlen wird ein neue Zulassungsordnung für Architekten, eine Architektenkammer und die Ermöglichung freier Architketen, d.h. freie Konkurrenz auf dem Feld der „Projektierung“. Verschiedene Eigentumsformen bis hin zum Privateigentum bei Baubetrieben werden angestrebt. Auch „Bürgerinitiativen“ sollen integriert werden, d.h. es ist an eine Bezahlung „von fachlich geeigneten Bürgern“, an eine Finanzierung der Bürgerbeteiligung gedacht. Was Baumgärtel jedoch nicht erwähnt, das ist die inzwischen von Stadtplanern erhobene Forderung nach Baustopp der schlimmsten Plattensilos, die im Augenblick entstehen.

KH

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