: Opel in Bochum führt Nachtschicht ein
Opel AG schafft den Durchbruch zum Drei-Schichten-Betrieb / Knappe Mehrheit des Betriebsrats stimmte zu / 680 garantierte Neueinstellungen gaben den Ausschlag / IG Metall: alarmierende Entwicklung - aber legal ■ Aus Bochum Bettina Markmeyer
Bochum (taz) - Ab ersten April werden im Bochumer Opel-Werk auch nachts Kadetts vom Fließband rollen. Nach heftigen Auseinandersetzungen stimmte der Opel-Betriebsrat am 18. Dezember der Einführung einer Dauernachtschicht im Karosseriewerk zu. Bisher standen die Montagebänder in der bundesdeutschen Autoindustrie nachts still, nach der Bochumer Entscheidung wird sich jedoch der Druck zur Nachtarbeit auch auf andere Belegschaften verstärken.
Die Opel AG, die in Bochum über 17.000 Leute beschäftigt, garantiert für den Drei-Schicht-Betrieb 680 Neueinstellungen. Insgesamt werden 1.300 Leute gebraucht, die restlichen sollen freiwillig aus anderen Betriebsteilen hinzukommen. Außerdem bekommen alle Nachtarbeiter Zulagen und sieben zusätzliche Freischichten. Opel -Betriebsratsvorsitzender Rolf Breuer sah sich bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit im Revier von „gesellschaftlicher Verantwortung“ zu der Entscheidung für die gesundheitsschädigende nächtliche Montage getrieben. Darüber hinaus argumentierte die Betriebsrats-Mehrheit unter dem Stichwort Standortsicherung national: Wenn in Bochum nachts gearbeitet würde, gehe das vor zwei Jahren geschlossene Werk in Antwerpen (Belgien) nicht wieder in Betrieb. Breuer: „Die in Belgien möglichen Produktionskapazitäten hätten zu einer Destabilisierung der bundesdeutschen Standorte Rüsselsheim und Bochum geführt.“
Die Mehrheit konnte sich jedoch nur knapp gegen eine starke Minderheit im Betriebsrat (Abstimmungsergebnis 22:13) durchsetzen, die die Nachtarbeit heftig kritisiert. In der Betriebsvereinbarung, so Franco Biaggiotti, einer der oppositionellen Betriebsräte, sei nicht einmal festgeschrieben, daß für die Nachtschichten die Samstagsarbeit wegfalle. Obwohl der Betriebsrat zwölf Sonderschichten abgelehnt hat, die die Betriebsleitung für das erste Quartal angemeldet hatte, sei die „Samstags- und Sonntagsarbeit keineswegs vom Tisch“.
Fraglich sei auch die Freiwilligkeit zur nächtlichen Arbeit. Zwar hätten sich im Akkordbereich bereits genügend Interessenten gemeldet, bei den Zeitlohn-Arbeitern, also Elektrikern, Schlossern etc, sähe es aber völlig anders aus.
Trotz einer Entschließung „gegen die Zunahme der Schichtarbeit, insbesondere der Nachtarbeit“ auf dem letzten Gewerkschaftstag der IG Metall in Berlin stimmte auch die Bochumer IGM-Ortsverwaltung der Nachtarbeit bei Opel zu. Bei 680 neuen Arbeitsplätzen habe man „einfach nicht nein sagen“ können. Das sieht man im IG-Metall-Vorstand in Frankfurt allerdings anders: „Eine Verlängerung der Betriebsnutzungszeiten führt nicht zu neuen Arbeitsplätzen.“ Die Bochumer Entscheidung sei „alarmierend“, so ein Sprecher. Betriebsräte andernorts, wie beispielsweise bei Ford in Köln, seien nach dem Bochumer „Tabubruch“ entscheidend geschwächt. Gleichwohl zieht sich auch der IG -Metall-Vorstand auf Formalien zurück: Die Nachtarbeit in der Autoproduktion verstoße nicht gegen geltende tarifvertragliche Regelungen. In der Opel-Belegschaft jedoch macht sich Unmut breit gegen die butterweiche Haltung ihrer Interessenvertreter. Sie wählten Anfang Dezember in die Bochumer IGM-Vertreterversammlung mehrheitlich jene FunktionärInnen, die gegen die Nachtarbeit Front gemacht hatten.
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