: Die russische Tschaika-Limousine
■ Miachel Klier über seinen Film „Überall ist es besser, wo wir nicht sind“
DDer West-Berliner Filmemacher Michael Klier hat vor über einem Jahr einen inzwischen hochaktuellen Film gedreht (zur Zeit im Kino). Jerzy (gespielt von Mirsolav Baka, dem Protagonisten in Kieslowskis „Kurzer Film über das Töten“) geht von Warschau nach West-Berlin und von West-Berlin nach New York. Am Ende sagt Ewa, die ebenfalls aus Polen weggegangen ist und Jerzy in New York wiedertrifft: „Denk daran, viel weiter nach Westen geht es nicht“ (siehe taz vom 1.8.89). „Überall ist es besser, wo wir nicht sind“ ist eine Art Road-movie Marke 'Go West‘, der aussieht wie ein alter Wenders oder ein früher Jarmusch. Genau das ist aber auch die Schwäche des Films: Er sieht aus wie. Gewollt lässig, gezielt ziellos. Michael Klier über die Entstehung des Films:
„Vor drei, vier Jahren stand auf dem Kurfürstendamm in Berlin eine ganz gut restaurierte russische Tschaika -Limousine für 12.000 DM zum Kauf. Das hat mich interessiert, was das für eine Geschichte war. Ich wollte damals einen Kurzfilm machen und fragte den Mann, einen Polen, der sie herübergebracht hatte:
Die Tschaika gehörte in den 50/60er Jahrern zum Fuhrpark Chruschtschows, wurde dann Gomulka geschenkt, landete danach auf der Straße als Taxi in Warschau, wo der Pole sie herhatte, aufmöbelte und nach West-Berlin brachte. Später hat er sie hier an eine Filmproduktion verkauft, und inzwischen haben sie amerikanische Autofreaks vom Airport Tempelhof erworben. Jetzt steht sie irgendwo in einem Museum in Amerika.
Die andere Geschichte ist die, daß ich mal einen Film über einen Privatdetektiv in Berlin drehen wollte. Dabei lernte ich einen jungen Polen kennen, der bei einem Detektiv als Hilsfksraft unter ganz miesen Bedingungen arbeitete und kaum Geld verdiente. Der wollte unbedingt nach Amerika, was für Polen damals nicht leicht war. Ein Jahr später hörte ich, daß er es tatsächlich geschafft hatte, irgendwie rüberzukommen. Diese beiden Geschichten bilden den Hintergrund des Filmes. Aber es spielt auch meine eigenen Geschichte mit hinein, denn ich habe acht Jahre in der Tschechoslowakei gelebt, wo ich auch geboren wurde und dann noch mal acht Jahre in Dresden. Mit 16 bin ich in den Westen gegangen. Ich bin ein Deutscher, aber auf die Leute, die aus dem Osten kommen, übt der amerikanische Traum immer noch eine starke Anziehungskraft aus. Für den Westen dagegen gibt es den Mythos Amerika nicht mehr.“
M. Klier: Überall ist es besser, wo wir nicht sind, Kamera: Sophie Maintigneux, mit Miroslav Baka, Marta Klubowicz, Berlin 1989, Schwarz-Weiß, 16 mm, 79 Min.
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