: Verfassungsgericht beglückt kurdische JezidInnen
■ Nicht nur die 500 kurdischen JezidInnen in Bremen können aufatmen: Sie alle sollen Asyl bekommen
Eine gute Nachricht in einer ausländerfeindlichen Zeit: Das Bundesverfassungsgericht hat einer Verfassungsbeschwerde kurdischer JezidInnen statt gegeben. Dadurch können auch die 500 jezidischen Flüchtlinge in Bremen erleichtert aufatmen. Ihr Anwalt Hans-Eberhard Schultz rechnet damit, daß aufgrund dieses Urteils alle jezidischen AsylbewerberInnen in der Bundesrepublik „anerkannt werden müßten“.
Der jezidische Glaube wird heutzutage nur noch in abgelegenen Bergregionen Türkisch-Kurdistans gepflegt. Die Jeziden glauben an den in göttliche Ungnade gefallenen „Engel Pfau“ (Melek Tau), der - reuig - von Gott wieder aufgenommen wurde. Aus moslemischer Sicht gelten die Jeziden deshalb als „Teufelsanbeter“. Die jezidi
schen Familien haben unter strenggläubigen Moslems zu leiden. Fast jede Familie hat Mordopfer zu beklagen. Jezidische Frauen werden von moslemischen Männern entführt, vergewaltigt und zur Ehe gezwungen, da sie einem Vorurteil nach als „sexuell besonders aktiv“ gelten. Außerdem ist die medizinische Versorgung der JezidInnen mangelhaft, da sie in den Arztpraxen oftmals nicht als PatientInnen akzeptiert werden. Eine höhere Schulbildung ist ihnen völlig verwehrt. Die Mehrheit der JezidInnen hat deshalb bereits die Flucht ins Ausland angetreten. Zahlreiche Oberverwaltungsgerichte hatten ihnen in der Bundesrepublik jedoch das Asylrecht verwehren wollen. Begründung: Sie könnten doch auch innerhalb der Türkei einen sicheren Aufent
haltsort finden, da sie sich schließlich in Großstädte wie Istanbul und Ankara begeben könnten. Diese „inländische
Fluchtalternative“ hat das Bundesverfassungsgericht jetzt so stark in Frage gestellt, daß es Verwaltungsgerichten künftig
schwerfallen dürfte, JezidInnen von der BRD in die Westtürkei zu schicken.
In Bremen werden JezidInnen,
da sie kurdischer Nationalität sind, grundsätzlich nicht abgeschoben, sondern „geduldet“. Diese „Duldung“ ist jedoch spätestens in dem Moment in Gefahr, wo das neue Ausländergesetz in Bonn in Kraft tritt und der Bundesinnenminister darüber entscheidet, wer geduldet wird und wer nicht.
1986 hatte eine jezidische Familie vor dem Bremer Verwaltungsgericht erfolgreich ihr Recht auf Asyl eingeklagt. Unter Vorsitz von Gerichtspräsident Kuhlmann hatte die 1. Kammer „Gruppenverfolgung“ konstatiert. Die 2. Kammer des Oberverwaltungsgerichtes Bremen unter Vorsitz von Dr. Müller hatte das erstinstanzliche Urteil jedoch „kassiert“. 1989 verhandelte die erste Instanz in Bremen erneut das Schicksal jezidischer Familien. Unbeeindruckt durch das Oberverwaltungsgericht, erkannten Richter Kuhlmann und seine Kollegen wieder auf „Gruppenverfolgung“. Anwalt Schultz hofft, daß sich dieOberverwaltungsgerichte dem Bundesverfassungsgericht bald anschließen.
B.D.
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