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Am runden Tisch wird mehr Unternehmensfreiheit gefordert

■ Einstimmig fordern die Teilnehmer Eigenverantwortlichkeit der Betriebe sowie den Abbau von Subventionen

Berlin (ap) - In einer einstimmig verabschiedeten Erklärung haben die Teilnehmer am runden Tisch die „Herstellung der juristischen und ökonomischen Eigenverantwortlichkeit der Wirtschaftseinheiten aller Eigentumsformen bei regulierendem Einfluß des demokratischen Staates“ gefordert. Notwendig seien auch weitergehende Schritte zur Stabilisierung der Währung beim visafreien Reiseverkehr sowie eine „Veränderung von Einzelhandelsverkaufspreisen mit dem Ziel des Abbaus und der Umverteilung von Subventionen, die einer Verschwendung entgegenwirkt und einen sozialen Ausgleich gewährleistet“.

Voraussetzung für die Zusammenarbeit am runden Tisch sei eine eindeutige und durchschaubare Offenlegung der wirtschaftlichen, ökologischen und finanziellen Situation der DDR und die rechtzeitige Information vor wichtigen Wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen der Regierung.

Zur Erarbeitung von Sozialplänen und der Bildung eines Sozialfonds auf gesellschaftlicher und betrieblicher Ebene hieß es im beschlossenen Bericht der Arbeitsgruppe Wirtschaft, die Vermittlung von Arbeitskräften, die im Ergebnis von Verwaltungeinschränkungen, Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen in Betrieben und Einrichtungen freigesetzt werden, sei ohne Diskriminierung und durch Umschulung sowie soziale Absicherung zu gewährleisten.

Die natürlichen Ressourcen, die nur treuhänderisch zur Nutzung überlassen werden könnten, seien als Nationaleigentum zu sichern. Grund und Boden aller Eigentumsformen dürften nicht an Ausländer verkauft werden. Das Nutzungsrecht sei so zu gestalten, daß dieser Grundsatz nicht unterlaufen werde.

Warum kommt Modrow

nicht selbst?

Berlin (dpa) - Beobachter und Teilnehmer des runden Tisches fragen sich, warum Hans Modrow in die „Fragestunden“ außer der versierten Wirtschaftsministerin Christa Luft nur Leute ins Rennen schickt, die häufig in eckigem Bürokratendeutsch Dinge vortragen, die für Zeitungsleser meist nicht neu sind. „Der Modrow müßte selber mal kommen und sich anhören, was seine sogenannten Experten hier vor Journalisten und Kameras aus aller Welt verzapfen“, meinte ein Zuhörer verärgert.

Mehrere Staatssekretäre sorgten mit ihren Aussagen auch bei Kirchenvertretern, SED-Leuten und Journalisten für Gähnen und Kopfschütteln und ließen entscheidende Fragen offen. Wolfgang Berghofer (SED) verlangte nach „kompetenten Vertretern, die zur Sicherheitspolitik Stellung nehmen können. Sonst drehen wir uns im Kreise.“ Der Staatssekretär beim Ministerrat, Walter Halbritter, erklärte, daß „alle Waffenkammern versiegelt sind“ beim im Auflösung befindlichen Amt für Nationale Sicherheit. Daß einer der Bezirkschefs am Tag zuvor im Westfernsehen etwas ganz anderes gesagt hatte, war Halbritter offenbar unbekannt. Jedenfalls vermittelte er diesen Eindruck.

Hans Modrow hatte schon vor der fünften Dialogrunde bei einem Treffen mit Teilnehmern des Tisches seine Bereitschaft für bessere Zusammenarbeit und Information angekündigt. Er will nun auch Regierungsplanungen und Gesetzesentwürfe vorlegen. Selbst hatte er bisher den Vertretern von Altparteien und neuen Gruppen in dem vornehmen Konferenzsaal am Schloß Niederschönhausen noch nicht Rede und Antwort gestanden.

Der kommende Montag, wenn sich die 38 Teilnehmer, zusätzliche Beobachter und Regierungsvertreter zur sechsten Runde treffen, wird die große Bewährungsprobe. Farbe bekennen muß die Regierung dann auch zu den umstrittenen Überbrückungshilfen für ausgeschiedene Staatsbedienstete und zum geplanten Verfassungschutz sowie zum Nachrichtendienst. Nach Erklärungen der Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane beträgt das Überbrückungsgeld für Ex -Funktionäre maximal 300 Mark und wird nicht für ehemalige Stasi-Mitarbeiter gezahlt.

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