: CSSR: Streit um Sudetendeutsche
■ KP-Chef Adamec gegen Entschuldigung bei Sudetendeutschen für deren Vertreibung / Front gegen öffentliches Bedauern von Staatspräsident Havel / Außenminister Jiri Dienstbier will Historikerkommission bilden lassen
Prag (ap) - Der tschechoslowakische KP-Vorsitzende Ladislav Adamec hat gestern im zentralen Parteiorgan 'Rude Pravo‘ gegen das von Staatspräsident Vaclav Havel offen bekundete Bedauern über die Vertreibung der drei Millionen Sudetendeutschen Front gemacht. „Ich erkläre mit aller Entschiedenheit, daß die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei und ich persönlich Entschuldigungen bei den Sudetendeutschen für ihre Umsiedlung aus der Tschechoslowakei nicht zustimmen und nie zustimmen werden“, erklärte Adamec.
Havel hatte es im tschechoslowakischen Fernsehen kurz vor seiner Wahl zum Präsidenten als Pflicht der CSSR bezeichnet, sich „bei den Deutschen zu entschuldigen“. 'Rude Pravo‘ zitierte gestern auch aus einem Brief an Bundespräsident Richard von Weizsäcker, in dem Vaclav Havel schrieb, er und seine Freunde verurteilten „die Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg ... als einen unmoralischen Akt“.
Außenminister Jiri Dienstbier, ebenso wie Havel ein Wortführer der friedlichen Revolution und Aktivist des Bürgerforums, hatte vor Weihnachten im Parlament in Prag die Bildung einer Historikerkommission zur Untersuchung der Maßnahmen gegen die Sudetendeutschen angekündigt und erklärt, eine Vergangenheitsbewältigung sei nur möglich, wenn man dieses Unrecht ebenso anerkenne wie die Deutschen das nationalsozialistische Unrecht an den Tschechen und Slowaken.
'Rude Pravo‘ erklärte am Donnerstag zu diesem Thema in einem eigenen Kommentar, die „Umsiedlung“ sei nach dem Zweiten Weltkrieg „auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens der alliierten Siegermächte“ erfolgt. Im tschechoislowakischen Fernsehen wurde am Mittwoch ein 64jähriger Mann namens Miroslav Klen gezeigt, der aus Protest gegen Havels Worte in einen Hungerstreik trat und erklärte, weder „diese Interimsregierung“ noch der Präsident, der wie das Parlament nicht aus demokratischen Wahlen hervorgegangen sei, hätten das Mandat zu einer Entschuldigung. Aus Kreise des Bürgerforums verlautete, die Reaktion in der Öffentlichkeit auf Havels Worte sei eindeutig negativ.
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