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Hinrichtungen mit Aids begründet

Gaddafi ließ acht Studenten töten, die angeblich an Aids erkrankt waren / Zusammenstöße zwischen Oppositionsgruppen und Regierungsanhängern / Offiziell keine an der Immunschwäche erkrankten Personen  ■  Von Beate Seel

Berlin (taz) - Die sogenannte „libysche Perestroika“ hat offenbar die Praxis der Todesurteile in dem nordafrikanischen Land nicht beendet. Nach Angaben der oppositionellen „Generalunion Libyscher Studenten“ sind kürzlich acht Studenten der Universität von Tripolis hingerichtet worden. Das Gaddafi-Regime habe ihnen vorgeworfen, an Aids erkrankt zu sein.

Wie der Berliner 'Tagesspiegel‘ berichtete, bezeichnete ein Sprecher der Union diesen Vorwurf als einen Vorwand, da die Studenten aus politischen Gründen zu Tode verurteilt worden seien. Die acht Studenten zählten zu den etwa 6.000 Personen, die aufgrund ihrer politischen Überzeugungen Anfang letzten Jahres verhaftet worden seien. Gadaffi benutze Aids propagandistisch, um Verhaftete verächtlich zu machen.

In den letzten Monaten kam es in Libyen wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen Regime-Anhängern und fundamentalistischen oder anderen Oppositionsgruppen, bei denen es auch Tote und Verletzte gab. Revolutionsführer Gadaffi charakterisierte die Oppositionellen als „Krebsgeschwür, Pest und Aids“.

Der Konflikt zwischen dem libyschen Revolutionsregime und religiösen Kreisen geht auf die „Dritte Universaltheorie“ Gadaffis zurück, die ab 1977 nach und nach in allen gesellschaftlichen Bereichen durchgesetzt wurde. Dem „Grünen Buch“ zufolge bietet der Islam die Grundlage einer fortschrittlichen politischen Theorie neben Sozialismus und Kapitalismus. Im Rahmen einer „Kampagne zur Reinigung der Moscheen von Häresie und Obskurantismus“ wurden im Jahre 1978 Proteste religiöser Kreise zurückgewiesen. In den letzten Jahren hatten sich in Libyen neben sekulären Oppositionsgruppen auch Fundamentalisten bemerkbar gemacht.

Die Methode, Oppositionelle als Aidskranke zu bezeichnen mit der Absicht, sie damit zu diffamieren, ist auf kulturelle Besonderheiten im arabisch-islamischen Raum abgestimmt. Dabei spielen tiefsitzende Ängste vor kulturellen Einflüssen aus dem Westen oder gar Israels in den Debatten ebenso eine Rolle wie die traditionell sexualfeindliche Moral. Religiöse Führer sind schnell mit dem Hinweis zur Hand, ein dem Koran gemäß untadeliges Leben sei das beste Mittel gegen eine HIV-Infizierung. Mit der Ausnahme Tunesiens tun sich sämtliche Regierungen der Region mit der Propagierung von Safer Sex entsprechend schwer.

Zahlen vom April letzten Jahres zufolge, die auf Angaben der Weltgesundheitsorganisation und Berichten in den Medien der einzelnen Ländern basieren, gibt es in Libyen derzeit keinen einzigen an Aids Erkrankten. Diese Angaben schließen jedoch die HIV-infizierten Personen nicht ein. Die Länder der Regionen, in denen der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig ist und die dem Ausland gegenüber aufgeschlossen sind, haben in absoluten Zahlen am meisten Erkrankte (Israel: 76 Fälle, Tunesien 36, Marokko 22). In einem Staat wie Qatar mit seinen zahlreichen Arbeitsemigranten liegt die Zahl bei 21 Aids-Fällen auf nur 257.000 Einwohner. Dennoch: Die ersten registrierten Aidspatienten in der arabischen Welt wurden nicht durch Reisen, Tourismus oder Arbeitsemigration infiziert, sondern durch aus dem Westen importierte Blutkonserven.

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