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Deutsch-deutscher Widerstand in Schönberg

Demonstration vor dem Zufahrtstor zur Mülldeponie / Aber die Stimmung in Schönberg ist gespalten / Bislang genießen westdeutsche Demonstranten die Zurückhaltung der Repressionsorgane / Nach den Wahlen wird eine „Normalisierung“ erwartet  ■  Aus Schönberg Kai Fabig

Besorgt sehen am Donnerstag nachmittag drei Herren dem bunten Treiben vor Europas größter Gift- und Hausmülldeponie in Schönberg/DDR unweit von Lübeck zu. Rund 100 DemonstrantInnen aus beiden deutschen Staaten tanzen vor dem Zufahrtstor zu dem abgewandelten Fußball-Anfeuerungsruf „Keiner geht mehr, keiner geht mehr rein“. Das Tor ist dicht, die Müllaster stauen sich, und kein Polizist läßt sich blicken, um diesem Zustand abzuhelfen. „Die würden was auf die Schnauze kriegen“, kommentiert ein Landarbeiter die Zurückhaltung der Ordnungskräfte.

Den drei Herren, Vertreter des Hanseatischen Baustoffkontors, das die Mülltransporte in die DDR abwickelt, bringt der politische Umbruch im Arbeiter- und Bauernstaat bislang nichts als Verdruß. Die Gewährung der Reisefreiheit von Ost nach West und West nach Ost hatte zu kilometerlangen Staus an den Grenzübergängen und zu stundenlangen Wartezeiten geführt. Die Müllfahrer hatten gerade einmal ein Drittel ihres Tagespensums geschafft. Und kaum normalisiert sich die Lage, findet der Wiedervereinigungstaumel nun auch noch Ausdruck in gemeinsamen Widerstandsaktionen - es ist zum Verzweifeln.

Doch für die Müllprofiteure, die in den vergangenen 10 Jahren Hunderte Millionen Mark umgesetzt haben, indem sie insgesamt rund 1,5 Millionen Tonnen Giftmüll und weitere sechs Millionen Tonnen Haus- und Sperrmüll nach Schönberg brachten, muß die Wende in der DDR nicht ausschließlich von Nachteil sein. Denn: „Von den Devisenmillionen ist nichts hier hängengeblieben; das ging alles direkt nach Berlin“, berichtet ein Schönberger vor dem Tor. Das könnte sich bei einer Dezentralisierung der DDR ändern. Und wenn die SchönbergerInnen von dem bei ihnen abgelagerten Dreck erst einmal finanziell profitieren, schwächt das möglicherweise den Widerstand gegen die Deponie, hoffen die Herren vom Baustoffkontor. Diese Möglichkeit sieht auch Christian Arndt vom Neuen Forum. Zwar ist er zufrieden damit, daß rund die Hälfte der DemonstrantInnen an diesem Donnerstag aus Schönberg und Umgebung kommt, jedoch räumt er eine in der Stadt geteilte Meinung ein.

Schönberg ist auch nach Ansicht von kritischen Experten die sicherste Deponie in der DDR. So gibt es innerhalb des Neuen Forums durchaus Stimmen dafür, die Deponie nicht zu schließen, sondern endlich für DDR-Müll zu nutzen. Bisher stand Schönberg nur für Importdreck zur Verfügung. Die BewohnerInnen Schönbergs konnten das Sperrgebiet rund um die Deponie nur mit einem Sonderstempel im Ausweis betreten. Inzwischen steht das Gelände auch deutsch-deutschen Widerstandsaktionen offen. Daß die Polizei allerdings auch zukünftig nur den Verkehr regeln wird, wenn es zu weiteren Blockaden kommt, daran glaubt auch der Landarbeiter nicht, der am Donnerstag noch bereit war, ihr ansonsten „auf die Schnauze“ zu hauen. Spätestens nach den Wahlen wird eine „Normalisierung“ erwartet. Solange aber ist der Osten noch ein Demo-Eldorado - auch für Wessis, die sonst bei derartigen Aktionen Knüppel zu spüren bekommen und wegen Nötigung angezeigt werden. Die Erinnerung an die Räumung einer Blockade um eine Lübecker Kaserne vor knapp zwei Jahren ist unter vielen LübeckerInnen in Schönberg noch frisch.

Kai Fabig

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