: Apartheid-Alltag in Südafrikas Schulen
■ Verheerende Zustände in den Schulen der schwarzen Townships / Nur 60 Prozent schwarzer SchülerInnen schaffen den Abschluß / Morde und Überfälle an der Tagesordnung / Eltern und Lehrer planen Kampagne
Johannesburg (ips) - Sechs von zehn schwarzen SchülerInnen haben in diesem Jahr die Abschlußprüfungen der höheren Schulen nicht bestanden. Mehr als 100.000 SchülerInnen fielen durch und haben angesichts der überfüllten Schulen kaum Aussicht, noch einmal zugelassen zu werden. Im Gegensatz dazu stehen die Ergebnisse der „weißen“ Schulen: 96 Prozent aller Prüflinge bestanden. Diese Zahlen gaben die Südafrikanischen Behörden zum Jahresende bekannt.
Bisher hat die Regierung wenig unternommen, um die Ausbildungskrise zu mildern, die schon 1976 zu Schüleraufständen in Soweto geführt hatte.
Die schwarzen Schulen in den Townships leiden an Platzmangel. 13.000 Kinder, die in der Umgebung Johannesburgs leben, konnten letztes Jahr aus diesem Grund keine Schule besuchen, stellen Forscher an der Witwatersrand Universität fest. In der Provinz Natal waren es sogar 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche zwischen sechs und zwanzig Jahren, die keinen Platz in den Ausbildungsstätten fanden. Gleichzeitig wurden 192 für weiße Kinder vorgesehene Schulen geschlossen.
Die Zahlen sprechen für sich: Für die Ausbildung eines weißen Kindes gab die Regierung 1988 durchschnittlich fünfmal soviel aus wie für jene eines schwarzen Kindes. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis beträgt in weißen Gebieten 1:18, in den Townships 1:40. Ein Zehnjahresplan der Regierung zum Abbau der Rassendiskrepanz bei den Bildungsausgaben wurde letztes Jahr eingestellt: Es fehle an Mitteln, hatte Präsident de Klerk argumentiert. Viele Schulen sind baufällig, verfügen nicht über Elektrizität, und Lehrer beklagen das Fehlen sanitärer Einrichtungen und Bibliotheken.
Die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen an den Schulen führen zu Unruhen und zur Kriminalität. Jugendbanden in Johannesburg, die sich aus den ungefähr 27.000 nicht an den Schulen zugelassenen Jugendlichen rekrutieren, sind in tägliche Auseinandersetzungen mit Schülern und Lehrern verwickelt. Kinder gehen mit einem Buschmesser in den Unterricht, und Lehrer berichten, daß Raubüberfälle und sogar Mord häufig auf Schulgebieten vorkommen.
Die Situation zeige das „wahre Südafrika“, erklärt Vusi Khanyile, Vorsitzender des landesweiten Komitees zu Bekämpfung der Ausbildungskrise (NECC), ein Zusammenschluß besorgter Eltern und Lehrer, die sich gegen die Diskriminierung im Schulwesen zur Wehr setzen.
Mit Beginn des Jahres soll die Krise in den schwarzen Schulen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt werden.
Das NECC steht in Verbindung mit der demokratischen Massenbewegung (MDM), einer Allianz von Anti-Apartheid -Gruppierungen, und hat Aktionen gegen die Diskriminierung im Schulbereich angekündigt. Eltern wurden aufgefordert, Kinder an Schulen ihrer Wahl registrieren zu lassen.
Eine Untersuchungskomitee soll Korruption und Unregelmäßigkeiten bei den Prüfungen beobachten und darlegen, daß die Regierung es versäumt, gleiche Erziehung für alle zu Verfügung zu stellen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen