: SO LEICHT GEHT DER OSTEN
?????????????? Wie funktioniert eigentlich eine Schrankwand-Montage?????????????? ■ TAZ-AUFKLÄRUNGSKURS - 2. LEKTION
Lieber Westler,
nicht, daß Sie glauben, es ginge nur Ihnen so. Als ob niemand auf der ganzen Welt Ihre Verzweiflung teilte! Wie Sie da so knien, mit Ihrem Imbus-Schlüssel vor Ihrem neokapitalistischen Abhol-Markt-Mechanismus, wie Sie weinen vor Ihrem Spülen-Unterschrank Modell „Brüntland“. Haben Sie nicht auch schon einmal gedacht, es wären diese eben doch nur um - wenn auch entscheidende Millimeter - verschobenen Schraubenlöcher an der Schrank-Rückwand womöglich ein perfides Täuschungsmanöver der Bourgeoisie, und das gerade deshalb, weil Ihre Möbel ja aus dem revisionistischen Sozialstaat Schweden kommen?
Mitnichten! Wie sich jetzt herausstellte, wurden Sie zwar tatsächlich getäuscht - aber nicht von der Bourgeoisie, sondern von jenen Kräften, die hartnäckig eine Einheit der deutschen Kultur in Ost und West zu leugnen trachten. Wie nämlich die Ostberliner Wochenzeitschrift 'Eulenspiegel‘ in ihrer neuesten Ausgabe unzweifelhaft klarmacht, stellen die Schwierigkeiten beim Aufbau von Schrankwänden durchaus ein gesamtdeutsches Problem dar. Und bevor wir hier unter dem Motto „Alles für den Aufbau der deutsch-deutschen Schrankwand“ in Verhandlungen über einen entsprechenden Technologietransfer eintreten, sollten wir zuvor unsere bisherigen Erfahrungen aufarbeiten, weshalb wir den unter der Überschrift „Schrank und Anerkennung“ im 'Eulenspiegel‘ veröffentlichen und mit der Anweisung „bitte ausschneiden, gut aufbewahren und dann wegschmeißen“ versehenen Beitrag hier dokumentieren. Möge auch dies zum besseren Zusammenschrauben unserer beiden Kulturen beitragen.
Vor einiger Zeit bekam Frau Seidel aus Berlin vom Sozialistischen Handelsbetrieb Möbel Berlin einen Kleiderschrank, Modell Rübezahl, aus der Palette der Qualitätserzeugnisse des VEB Möbelwerke Südharz, Mansfeld, geliefert. Zur Selbstmontage!
Die Anlieferung vollzog sich in einem atemberaubenden Tempo, so daß es die Kollegen vom Sozialistischen Handelsbetrieb, offenbar im ehrlichen Bemühen, wenigstens den Wettlauf mit der Freizeit zu gewinnen, versäumten, der Kundin die Montageanleitung zu überreichen.
Um es dem Handelsbetrieb zu ermöglichen, sein Tempo beizubehalten und womöglich noch zu steigern, veröffentlichen wir heute eine solche Montageanleitung, wobei die Erfahrungen des Monteurs besagten Schrankes mit eingearbeitet wurden.
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Werter Kunde,
es ist Ihnen gelungen, ein Erzeugnis zu erwerben, zu dem Sie sich von Herzen gratulieren können. Ein viele Jahre währendes ungetrübtes Vergnügen an unserem Schrank garantieren wir Ihnen, wenn Sie diesen bei möglichst konstanter Luftfeuchtigkeit und bei Zimmertemperatur schön flach gelagert in der Originalverpackung belassen. Zugluft vermeiden!
Ist das nicht möglich, gelten die gesetzlichen Garantiebestimmungen. In diesem Fall gehen Sie bei der Montage wie folgt vor:
Zunächst werden alle Teile ausgepackt und in Augenschein genommen. Sollten Sie auf den ersten Blick keine Kratzer entdecken, brauchen Sie nur etwas genauer hinzuschauen.
Bitte keine unvornehme Hast beim Auspacken der hauchdünnen Rückwände. Sie vermeiden dadurch das Entstehen von unliebsamen Eselsohren. Nun werden die Justierbeschläge an den Seitenteilen befestigt. Sie benötigen dazu weiter gar nichts als einen Spiralbohrer Durchmesser 1,5 mm, einen Spiralbohrer Durchmesser 4 mm, einen Spiralbohrer Durchmesser 10 mm, einen Dreikantschaber bzw. ein scharfes Messer, einen Schraubenzieher, eine Eisensäge, einen Hammer, einen Schraubstock und eine Bohrmaschine.
Mit dem Spiralbohrer Durchmesser 10 mm arbeiten Sie zunächst die vorgebohrten Löcher in den Seitenteilen nach und entgraten diese mit dem Dreikantschaber oder mit dem Messer. Der Hersteller empfiehlt Ihnen, dabei sehr sorgfältig vorzugehen. Es ist in Ihrem eigenen Interesse!
Dann spannen Sie die Justierbeschläge in den Schraubstock und bohren mit dem Spiralbohrer Durchmesser 4 mm die durch die Oberflächenbehandlung verklebten Löcher für die Befestigungsschrauben auf.
Nun drücken Sie unter Androhung von Gewalt die Justierbeschläge in die von Ihnen nachgearbeiteten Löcher. Sie werden bemerken, daß sich Ihre Sorgfalt von vorhin jetzt voll auszahlt. Wenn nicht, müssen Sie eben mit dem Hammer etwas nachhelfen, aber denken Sie dabei immer daran: Es ist Ihr Schrank!
Um eventuellen Ungenauigkeiten (Versatz) vorzubeugen, haben wir auf das Vorbohren der Löcher für die Befestigungsschrauben der Beschläge in aller Form verzichtet. Damit wird Ihnen die Möglichkeit eingeräumt, die Löcher in hoher Paßgenauigkeit selber anzubringen. Die Beschläge anzuschrauben ist ein Kinderspiel. Sobald Sie die Schlitze der Befestigungsschrauben mit der Eisensäge etwas nachgesägt haben.
Am besten, Sie machen jetzt erst einmal ein Päuschen. Wenn es einer verdient hat, dann sind Sie es. So, ausgeruht?
Die Grundplatten werden fast genauso an den Seitenteilen befestigt wie die Justierbeschläge. Beim Nacharbeiten der vorgebohrten Löcher haben Sie ja inzwischen Erfahrung. Um die Grundplatten beim Eindrücken nicht zu beschädigen, sollten Sie dabei den Hammer möglichst nicht zu Hilfe nehmen. Um einen einigermaßen festen Sitz zu gewährleisten, sollten Sie möglichst den Hammer zu Hilfe nehmen.
Als nächstes werden die Gelenkbänder in die Türen eingeschlagen. Lassen Sie sich bitte nicht aus der Ruhe bringen, falls die Beschläge passen und sogar die vorgebohrten Löcher in der Tür mit den Bohrungen der Gelenkbänder übereinstimmen. Sie haben nichts falsch gemacht. Schrauben Sie die Gelenkbänder ruhig fest. Schraubenschlitze bei Bedarf nachsägen!
Nun können Sie noch die Kleiderstangenhalter an der rechten Seitenwand und an der Mittelwand anbringen. Es empfiehlt sich, die Löcher an den Kleiderstangenhaltern vorher etwas aufzubohren, da die Lochabstände nicht ganz mit den vorgebohrten Löchern der Schrankwände übereinstimmen. Außerdem werden Sie bemerken, daß die angeschraubten Halter etwas schief sitzen, was aber später, bei geschlossenen Schranktüren, keinem Menschen mehr auffällt. Und wenn er noch so genau hinguckt. Falls es jetzt langsam anfängt, draußen dunkel zu werden, brechen Sie an dieser Stelle Ihre Arbeit ab und machen Sie morgen weiter.
So, da sind wir wieder und beginnen mit der Montage der Seitenteile und des Mittelteils auf den Unterboden. Zunächst werden die Schraubbolzen für die Druckgußexzenter eingeschraubt. Schraubbolzen und Druckgußexzenter erfüllen im wesentlichen die Funktion des in früheren Jahrhunderten in der Möbelproduktion eingesetzten Klebstoffes, weisen ihm gegenüber allerdings ein paar ganz erhebliche Vorteile auf.
Legen Sie bitte ein Seitenteil auf den Fußboden und befestigen Sie den Unterboden daran (Druckgußexzenter gut festziehen). Ebenso verfahren Sie mit der Mittelseite und dem anderen Seitenteil. Die beiden letztgenannten Teile müssen Sie, wenn gerade kein Gehilfe in der Nähe ist, während der Montage mit Ihrer dritten und längsten Hand schön waagerecht halten.
Anschließend wird der Oberboden montiert. Ein herausragendes Problem ist dabei die Mittelseite. Sie gerät uns hin und wieder etwas zu breit, so daß sich der Oberboden nicht drüberschieben läßt. In dieser Situation zeigt sich die Überlegenheit der Druckgußexzenter gegenüber dem ordinären Klebstoff aus früheren Zeiten ganz deutlich. Flugs können Sie die Verbindungen lösen und die Mittelseite wieder herausnehmen, um sie etwas nachzuarbeiten.
Sobald der Oberboden eingepaßt ist und alle Druckgußexzenter fest sitzen, können Sie es riskieren, den Schrank auf seine Füße zu stellen. Keine Angst, er fällt nicht auseinander. Schrauben Sie nun bitte die Türen an die Seitenteile. Dazu gehört etwas Geschick und Ausdauer. Lassen Sie sich bloß nicht aus der Ruhe bringen. Sie haben so viele Versuche, wie Sie benötigen. Zum Einlegen der Kleiderstange benötigen Sie eine kleine Dreikantfeile, ein blutstillendes Mittel und Verbandszeug. Nachdem Sie sich am scharfen Grat der Kleiderstange geschnitten haben, behandeln Sie zunächst Ihre Wunden, feilen den Grat anschließend ab und legen die Kleiderstange ein.
Die Bügelgriffe an die Türen zu schrauben und die Bodenträger für die Einlegeböden einzuschlagen ist ein Klacks. Wenn es auch inzwischen wieder dunkel geworden ist. Nachdem sie die Böden eingelegt haben, befestigen Sie die hauchdünnen Rückwände, was dem Schrank eine Stabilität verleiht, die Sie nicht für möglich gehalten hätten. Sie haben es geschafft, werter Kunde. Sehen Sie, so einfach ist das. Und es hat sich gelohnt. Sie haben sich die 14,50 Mark Preisnachlaß für die Selbstmontage redlich verdient.
Eberhard Franke
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