piwik no script img

LEUTE VON HEUTE

 ■  KLATSCH VON GESTERN

Berlin ist out - die Welt schaut auf Suhl. Seit „Uns Udo“ am Samstag abend dort sein Konzert begonnen hat und sich die ausgehungerten DDR-Fans über dreißig Stunden nach einer Karte angestellt haben, ist aus dem unbekannten Nest eine Pop-Metropole geworden. Doch die Polittouristen reisen weiter nach Leipzig. Jetzt war's mal nicht die Montagsdemo, sondern das Treffen des Neuen Forums. Doch so recht zur Agitation genutzt hat es nur die 'Welt‘. Kostenlos wurde das Rechts-Blatt beim Delegiertentreffen verteilt - und keiner hat protestiert. Ohne Beachtung blieb bislang, daß von der neuen Freizügigkeit zwischen Ost und West eine Gruppe gänzlich ausgeschlossen ist: die Militärs. Ost-Berlin ist für den Admiral der Bundeswehr, Elmar Schmähling, tabu.

Im Westteil der Stadt wollte er sich deswegen mit einem seiner Kollegen von der Nationalen Volksarmee, Generalmajor Rolf Lehmann, im Schöneberger Rathaus der Diskussion stellen. Die beiden militärischen Paradiesvögel wollten schon vorab und symbolisch ihre Armeen vereinigen. Doch ein Telex der West-Alliierten, das es angeblich gar nicht gibt, hat Lehmann zurückgepfiffen. Begründung: die bestehenden Kontrollratsgesetzte zur Neutralität Berlins. Aber wie gesagt - dieses Telex gibt es gar nicht. Ebenfalls verschwunden ist ein anderes Dokument. Roland Jahn, der ausgebürgerte Friedensaktivist aus Jena, ging jetzt auf die Suche nach seinem blauen Paß, der ihm vor Jahren, als er im Sonderzug in die BRD saß, abgenommen worden war. Weit schmerzlicher für den Ausgebürgerte aber ist, daß das Kombinat Carl Zeiss, dem er ehemals angehörte, sich weigert, ihm den Verlust seines Stundenlohns von 3,10 Mark Ost für die verlorenen Jahre nachzuzahlen. Um höhere Summen ging es am Samstag abend bei einem konspirativen Treffen arbeitsloser Journalisten. Der Osten lockt sie eben nicht nur politisch. Mathias Greffrath ehemals 'Zeit‘, Benny Härlin, Ex-Europaparlamentarier und Harald Schumann Ex-taz und noch 'Spiegel'-Redakteur kungeln mit der 'Berliner Zeitung‘, um der SED die ideologische Basis zu entreißen. Im Osten liegt eben die Zukunft. Je nach Standort. Das hat sich auch der jungsche Fotograf von der Alster gedacht und kam an die Spree.

Jockel Finck (mit bürgerlichem Namen Heinz-Joachim), den neuen „Knipser“ der amerikanischen Presseagentur 'ap‘, trieb der Karriereknick von Sankt Pauli nach Kreuzberg. Mit einem dieser schwarzen Geschosse mit Turbo und Spoiler kam er per Anhalter durch die Galaxis auf dem Transit nach West-Berlin. (Das Masupilami auf dem Beifahrersitz.) Mit 200 Stundenkilometern und ohne KAT kann er allerdings der Feindschaft der Umweltsenatorin sicher sein, die ihm trotz Zugehörigkeit zu einer aktuellen Agentur im nächsten Jahr bei Smog keine Ausnahmegenehmigung für seine Dreckschleuder mehr erteilen wird. Bei 'ap‘ allerdings ist man angetan von dem neuen jungen Kollegen, schließlich sind die ansehnlichen Männer in der Westberliner Journaille die Ausnahme, weiß

Marianne

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen