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Panama verzichtet auf eine neue Armee

Nach der Invasion der USA kann die Ordnung in Panama nur langsam wiederhergestellt werden / Seit Freitag wird eine neue Polizeitruppe aufgestellt / Carters Panama-Verträge von 1977 sehen jedoch eine 12.000-Mann-Armee für Panama vor  ■  Aus Colon Ralf Leonhard

Vor der Türe des Bischofs von Colon taucht eine Gruppe von Kuna-Indios auf. „Die Gringos haben uns unsere Einkäufe weggenommen“, klagen sie. Alle Monate kommen die Indios von den paradiesischen San-Blas-Inseln in ihren Booten nach Colon, um Vorräte einzukaufen. Bischof Carlos Maria Ariz begleitet seine Schützlinge ins Rathaus, um die Sache zu klären. Wenig später verlassen die Kuna mit hängenden Köpfen das Gebäude. „Die Waren wurden konfisziert“, erläutert der Bischof, „denn es handelt sich um geplünderte Waren vom Schwarzmarkt.“ Ob die Güter bei der Polizei hängen blieben oder umgehend von den Geschäftsleuten reklamiert wurden, war nicht mehr zu ermitteln.

Die Invasion der US-Truppen hatte die Verteidigungs- und Polizeikräfte so gründlich zerschlagen, daß tagelang Anarchie herrschte und tausende Plünderer über die Warenhäuser der Freihandelszone von Colon und die Geschäfte der Innenstadt herfielen.

Colon, die zweitwichtigste Stadt des Landes, liegt an der Atlantikmündung des Kanals. Die einst malerische Kolonialstadt ist in den letzten Jahren erschreckend heruntergekommen und wird heute als Hort der Straßenkriminalität von Fremden gemieden. Gefechte hat es hier kaum gegeben. Die ausgebombte Kaserne liegt außerhalb der Stadt. Im Zentrum ist nur ein 15stöckiger Wohnbau Ziel von Angriffen gewesen. Gegen drei Scharfschützen, die sich im 10.Stock verschanzt hatten, setzten die US-Truppen zwei Raketen ein, die das Gebäude durchlöcherten.

Weitaus größere Materialschäden sind jedoch durch die Plünderungen entstanden, die von den Invasoren drei Tage lang nicht gestoppt wurden. Im Radio werden jetzt ständig Aufrufe der geschädigten Geschäftsleute gebracht. Manche versprechen Belohnung für die Rückgabe gestohlener Waren oder für Hinweise auf deren Verbleib: „Wir stellen keine Fragen.“

Die Mitglieder der Streit- und Sicherheitskräfte waren tot, gefangen oder flüchtig. Erst nach und nach kamen die Überlebenden der Aufforderung der von den Invasoren eingesetzten Regierung nach und meldeten sich für die neuen Polizeitruppen. Am Freitag konnte Vizepräsident und Innenminister Ricardo Arias Calderon feierlich die „Fuerzas publicas panamenas“ gründen, die die alten „Fuerzas de defensa panamenas“ ersetzen sollen. „Sie sollen für Sicherheit sorgen, aber niemals repressiv sein“, versprach Arias. Dem Gründungsakt war eine hitzige Diskussion vorausgegangen, ob Panama wie das Nachbarland Costa Rica auf eine eigene Armee verzichten und sich lediglich eine Polizei mit Trillerpfeife und Gummiwurst halten solle. Während die USA den Aufbau einer neuen Armee vorgezogen hätten, wollte die Regierung mehrheitlich nur eine Polizei.

„Die Oligarchen sind nur an der Sicherheit ihrer Besitztümer interessiert“, knurrt Chuchu Martinez, ein enger Vertrauter des 1981 ermordeten General Torrijos. „Die Gringos aber brauchen jemanden, der für sie die schmutzige Arbeit übernimmt.“ Die Torrijos-Carter-Verträge aus dem Jahre 1977 verlangen von Panama eine mindestens 12.000 Mann starke Armee, die den Schutz des Kanals garantieren kann.

Chef der neuen Polizeitruppe ist Oberst Roberto Herrera Hassan, ein allgemein respektierter Offizier, der von Noriega ins Exil geschickt worden war. Herrera kam zum Zuge, nachdem der ursprünglich vorgesehene Oberkommandant Roberto Armijo noch vor seiner offiziellen Ernennung zurückgetreten war. Er hatte sich nämlich geweigert, über die Herkunft von mehr als einer Million Dollar auf den Bankkonten seiner Frau Aufschluß zu geben. Mit seinem Rücktritt wollte er einer peinlichen Untersuchung zuvorkommen.

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