Runder Tisch in Prag legt Wahlen fest

■ Tschechoslowakische Parteispitze wählte Exekutivkomitee / Differenzen über Sudentendeutsche

Prag (dpa/afp) - Die Bürger der CSSR werden in diesem Jahr zweimal zu Wahlen aufgerufen. Der „runde Tisch“ in Prag beschloß am Wochenende, voraussichtlich im Juni sollten Parlamentswahlen, in der zweiten Jahreshälfte, wahrscheinlich im Oktober, Gemeindewahlen stattfinden. Bis März soll ein demokratisches Wahlgesetz vom jetzigen Parlament verabschiedet werden. Der relativ späte Wahltermin wurde damit begründet, daß die neuen Parteien die Möglichkeit haben sollten, sich zu konstituieren und der Öffentlichkeit vorzustellen. Das Zentralkomitee der tschechoslowakischen KP wird mit einer neuen Führung in den Wahlkampf ziehen. Am Samstag wählte es ein „politische Exekutivkomitee“, das die Nachfolge des Präsidiums als Führungsgremium der Partei antritt. Die neue Führung unter dem Parteivorsitzenden Ladislav Adamec und dem Ersten Sekretär des ZK, Vasil Mohorita, wurde deutlich verjüngt. Das Durchschnittsalter der Parteispitze liegt bei 41 Jahren, jüngstes Mitglied ist die 27jährige Prager Lehrerin Marie Vildova. Dem Ausschuß gehören unter anderem Adamec, Mohorita und drei neugewählte ZK-Sekretäre an. Mohorita legte Vorschläge zur Umstrukturierung der Parteiarbeit vor, die vor allem einen Abbau der Mitarbeiter im ZK-Apparat von 800 auf unter 200 vorsieht.

Adamec warb vor dem ZK für eine nationale Verständigung. Man verhehle jedoch nicht, daß es in bestimmten Fragen, zum Beispiel bei der Aussiedlung der Sudetendeutschen nach dem Krieg, unterschiedliche Auffassungen gebe. Adamec hatte dem vom neuen Staatspräsidenten Vaclav Havel bekundeten Bedauern über die Vertreibung der Sudetendeutschen scharf widersprochen. Er sagte dazu am Samstag: „Wir sind davon überzeugt, daß wir die Meinung der Mehrheit der tschechoslowakischen Bevölkerung zum Ausdruck bringen, wenn wir es entschieden ablehnen, alte Fehler, Ungerechtigkeiten und Irrtümer durch neue zu ersetzen, ein politisches und Informationsmonopol durch ein anderes abzulösen.“