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Toshiki Kaifu - „traurigster aller japanischen Premiers“

Nippons Regierungschef kommt heute nach Bonn - aber Bedeutung hat dieser Besuch nur für seine eigene Karriere  ■ P O R T R A I T

Von Ch. Yamamoto und G. Blume

Regierungschef Kaifu wolle Japans Bereitschaft zeigen, eine „aktive Rolle bei der Entwicklung einer positiven und stabilen Weltordnung zu übernehmen“. Japan werde sich zu den „historischen und unaufhaltsamen Veränderungen in Europa bekennen“. In Bonn werde sich Kaifu auch für die „unvermeidliche“ deutsche Wiedervereinigung stark machen. All das und sogar eine Grundsatzrede Kaifus zur japanischen Osteuropapolitik in West-Berlin versprach das Tokioter Außenministerium für den ersten Besuch des neuen japanischen Premierministers in der Bundesrepublik. Das klingt wie das volle Programm eines wichtigen Staatsbesuchs - und sollte es das nicht auch sein? Immerhin wird hier der höchste Repräsentant der größten Gläubigernation der Erde seine Milliarden für den Neuaufbau Osteuropas anbieten. Aber ist Toshiki Kaifu wirklich Japans Premierminister? Sagen wir: Er ist es kaum. Tatsächlich ist er ein international, partei und wirtschaftspolitisch völlig unerfahrener Mann, der sich darauf freut, in Berlin eine Rede zu halten - 1962 war er nämlich schon einmal da. Das wissen nun auch Millionen japanischer Fernsehzuschauer. Man will sie glauben machen, Kaifu kenne die Welt.

Kein japanischer Premierminister der letzten zwanzig Jahre, der länger als sechs Monate regierte, hatte so wenig Einfluß wie Kaifu. Mit kaum einem Tokioter Regierungspolitiker lohnt es sich für Kohl, Mitterrand, Thatcher und all die anderen, die ihm in den nächsten Tagen die Ehre geben, weniger zu reden als mit diesem „traurigsten aller Premierminister“, wie ihn das Tokioter Wochenblatt „Aera“ taufte. Toshiki Kaifu hat in Staat und Partei kein Mitspracherecht, möge ihm die Verfassung auch alle Macht versprechen. Den Wahltermin für die kommenden Parlamentswahlen legten die Fraktionschefs der regierenden Liberal-demokratischen Partei (LDP) auf den 18. Februar fest - ohne Kaifu auch nur zu fragen. Dazu der Regierungschef: „Ich weiß nicht von diesem Wahltermin.“ Währenddessen trafen im Kabinett der Finanz- und der Industrieminister ihre Entscheidungen über den Staatshaushalt für 1990: ohne Kaifu, auf eigene Faust. In den derzeit wichtigsten innenpolitischen Diskussionen um die Mehrwertsteuerreform und die Wahlrechtsänderung mußte Kaifu seine öffentlichen Versprechen ebenso öffentlich revidieren, weil sie der eigenen Partei nicht paßten. Selten wurde ein Regierungschef so schnell demontiert.

Andererseits ist der ehemalige Erziehungsminister seiner Aufgabe auch kaum gewachsen. Nach dem Gipfel in Malta befragt, antwortete er vor der Presse: „Ich finde es gut, wenn Bush und Gorbatschow offen miteinander reden.“ Mehr war aus dem offensichtlich überraschten Premier nicht herauszuholen. Kein Wunder also, wenn jetzt der durch Skandale diskreditierte, aber deswegen nicht weniger mächtige LDP-Fraktionschef Shintaro Abe nach Moskau und Peking fahren muß, um die für Japan wirklich wichtigen Gespräche zu führen. In Bonn muß man sich derweil mit Kaifu begnügen. Dennoch hat dieser Besuch große Bedeutung: Er könnte Kaifu den Sessel des Premierministers für zwei weitere Jahre sichern - so werbewirksam sind TV-Bilder mit westlichen Regierungshäuptern in Japan. Sie reichen womöglich aus, um Kaifu das internationale Ansehen zu verschaffen, das seine Rivalin Takako Doi von den Sozialisten angeblich nicht hat. Und damit gewinnt dann ein Hampelmann die Wahl.

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