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Entwurf für ein DDR-Wahlgesetz

■ Die Oppositionsgruppen fürchten um die Chancengleichheit, wenn am 6. Mai gewählt werden soll

Ost-Berlin (dpa) - Den DDR-Parteien soll die Annahme finanzieller und materieller Wahlkampfhilfe aus dem Ausland, also auch aus der Bundesrepublik, untersagt werden. Das geht aus dem Entwurf für ein neues Wahlgesetz hervor, den das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) zitierte. Der Entwurf wurde vom zuständigen Volkskammer-Ausschuß für den runden Tisch erarbeitet.

Danach sollen nicht nur Parteien, sondern auch politische Vereinigungen die Möglichkeit erhalten, Kandidaten aufzustellen. Das würde zum Beispiel auf die größte Oppositionsbewegung - das Neue Forum - zutreffen. Auf diesen Listen dürfen aber keine Mitglieder von Parteien kandidieren, die auch an der Wahl teilnehmen. Offen bleibt in dem Papier die Entscheidung über den Wahlmodus, ob es eine Verhältniswahl oder ein Mischsystem zwischen Verhältnis - und Mehrheitswahl - wie in der BRD - geben soll. Nicht zugelassen werden sollen Parteien, die „Glaubens- Rassen und Völkerhaß bekunden, militaristische Propaganda oder Kriegshetze betreiben“.

Zur Wahlkampffinanzierung heißt es: „Parteien (politischen Vereinigungen) und Kandidaten ist die Annahme materieller und finanzieller Unterstützung für den Wahlkampf durch Organisationen, Einrichtungen und Personen anderer Staaten verboten.“

Vier Monate vor den Wahlen in der DDR wird die Frage einer Chancengleichheit zum immer heißeren Thema. Die Opposition befürchtet, daß die ehemalige Staatspartei SED ihre alten Privilegien zum Nachteil der anderen ausnutzt. „Chancengleichheit? - Die existiert überhaupt nicht, das ist ein reines Gerücht“, sagte gestern der Pressesprecher des Rostocker Neuen Forums, Christoph Kleemann. Er schätzte, daß 80 Prozent der Mitarbeiter in Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen SED-Mitglieder sind.

Die einstige Staatspartei besitze zudem Zeitungen, Verlage und Druckereien. Für die Opposition werde allein schon das mangelnde Papier zum Problem. So kann sich die 'Ostsseezeitung‘, das Organ der Rostocker SED, nach Angaben Kleemanns täglich 300.000 Exemplare drucken. Die neue Zeitung der Opposition, die 'Plattform‘, bekam als wöchentlich erscheinendes Extrablatt dagegen eine Auflage von ganzen 15.000 Stück genehmigt. Sie wird von den sechs Organisationen - Neues Forum, SDP, Grüne Partei, DA, Demokratie Jetzt und Vereinigte Linke (VL) zugleich getragen und erscheint am kommenden Donnerstag zum zweiten Mal in Rostock. Hergestellt wird sie in SED-eigenen Druckereien, denn andere Möglichkeiten gibt es nicht. Die 'Plattform‘ soll später eine Auflage von 50.000 bekommen.

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