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Bayerische Bayern am Ende unter sich

Weißblaue Dominanz bei der 1. Weltmeisterschaft im Schafkopfen, dem Spiel, „das auf Fässern gedroschen wird“: Bayerische Bayern, nichtbayerische Bayern und bayerische Nichtbayern  ■  Von Gerd-Eckard Zehm

New York (dpa) - Das exotische Geschehen überforderte sichtbar das orthographische Vorstellungsvermögen der Amerikaner: „Bavarian Schafkoft Card Tournament“ verhießen die Bildschirme mit den Tagesveranstaltungen im New Yorker Penta Hotel. Hinter der kuriosen Ankündigung versteckte sich, was die Organisatoren mit fröhlicher Unbekümmertheit die „Ersten Schafkopf-Weltmeisterschaften“ nannten. Zwei Tage lang maßen vergangenes Wochenende in Manhattan die weltbesten Schafkopfspieler ihre Kräfte. Da das Schafkopfen aber bekanntermaßen ein Kartenspiel ist, das sich nur einem innerhalb der weißblauen Grenzpfähle Geborenen voll erschließt, waren die 177 Teilnehmer dieser Weltmeisterschaft natürlich - von wenigen Ausnahmen abgesehen - Bayern.

Das internationale Flair vermittelten zwei Dutzend Amerikaner, die allerdings auch wieder fast alle aus Bayern eingewandert waren, sowie zwei Österreicher, ein Italiener und ein Grieche, die wiederum in Bayern leben. Ein geborener Amerikaner, der in der ersten Runde immerhin den siebenten Platz errang, war nur durch höhere Gewalt zum Spiel mit dem „Alten“, dem „Blauen“ und dem „Buckel“ gekommen: Der Vater seiner Angebeteten, ein Bayer natürlich, hatte seine Einwilligung in die deutsch-amerikanische Ehe davon abhängig gemacht, daß der künftige Schwiegersohn schafkopfen lerne.

„Wie's ausschaut, hat er gut gelernt“, kommentierte sachkundig Turnierteilnehmer Franz Hark, der auch nach 29 Jahren in New York weder den breiten bayerischen Dialekt noch die Lust am Schafkopfen verloren hat. Gegen die weißblauen Cracks allerdings, darunter die bayerischen Stadt -, Regional- und Landesmeister, die die USA-Reise bei heimischen Turnieren gewannen, hatte der Konditor Hark natürlich keine Chance. Er landete im Mittelfeld und hatte auch gar nicht mehr erwartet. Denn in seinem Heimatverein „Die Würzburger“ in Queens spielt er höchstens einmal im Monat mit anderen Exilbayern, die wie er zäh an der Erinnerung an die alte Heimat festhalten.

Da gibt es in Bayern ganz andere Fans des „langen bayerischen Schafkopfblatts“. „Ritschie“ aus Schweinfurt etwa, der dem Spiel erst seit zwei Jahren verfallen ist, der aber mittlerweile „bei jedem Turnier des Bayerischen Schafkopf-Vereins dabei ist“ und der den 32 Karten sogar die Liebe opferte. Wegen seiner Leidenschaft fürs Schafkopfen hat der rundliche Behördenangestellte nämlich „zwei Sichere“ verloren, sprich zwei Damen, die bereit gewesen wären, die Ehe mit ihm einzugehen. Und auch die Finanzen litten. Die nächsten Turniere, etwa auf dem Kreuzfahrtschiff „Odessa“ über Pfingsten oder auf Mallorca im Oktober kann „Ritschie“ nur mitmachen, „wenn ich eine Bank finde, die das finanziert.“

146 Bayern, darunter auch ein Dutzend scharf reizende Damen, waren über den Atlantik geflogen, um ihren ersten Weltmeister auszuspielen. Warum gerade New York? „Die vielen Bayern, die im Raum New York leben“, nennt Hermann Fröschl, Präsident des gut 2.000 Mitglieder zählenden Bayerischen Schafkopf-Vereins, als Grund, „und außerdem reisen wir gern“.

Fröschl vermag auch den seltsamen Namen des Spiels zu deuten. Das „Schaf“ am Anfang hat demnach nichts mit dem wolligen Haustier zu tun, sondern mit dem Schaff oder Faß, auf dem in Urzeiten in Wirtshäusern gespielt wurde. Der Wortteil „kopf“ entstand aus dem Altdeutschen „kobern“, was schlicht spielen heißt. Schafkopf ist also das Kartenspiel, das auf Fässern gedroschen wurde. Rund 400 Jahre alt ist laut Fröschl das Kneipenvergnügen, und während das daraus hervorgegangene Skatspiel die deutschen Lande von Konstanz bis Flensburg eroberte, blieb das Schafkopfen - Fröschl: „Viel älter und komplizierter als Skat“ - auf Bayern beschränkt. Und so waren in der Endrunde denn auch abgesehen von einem Schwaben - die bayerischen Bayern unter sich. Den Titel eines ersten Weltmeisters im Schafkopfen und 2.000 Dollar Preisgeld errang souverän der aus dem oberbayerischen Peißenberg stammende Rentner Sepp Bock.

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