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Japan kündigt Chinaboykott auf

Tokio schert sich nicht länger um entsprechende Beschlüsse der westlichen Industrienationen  ■  Von C. Yamamoto und G. Blume

Tokio (taz) - Der Eindruck von einer eigenständigen Entscheidung sollte mit allen Mitteln vermieden werden. Wenn Japan jetzt die Vereinbarungen der westlichen Industrienationen auf dem Weltwirtschaftsgipfel vom Juli 1989 aufkündigt und die Boykottmaßnahmen gegen China einstellt, dann trage die Tokioter Regierung nur den verbesserten Beziehungen zwischen Washington und Peking Rechnung. Das wollte der Sprecher des japanischen Außenministeriums der überraschten Weltöffentlichkeit am Dienstag in Tokio deutlich machen. Wer Japan immer noch in der Vasallenrolle neben der Großmacht USA sieht, glaubte es gerne.

Ohne Ankündigung hat Japan die Absprachen mit seinen westlichen Verbündeten unterlaufen. Das ergibt sich aus der Einladung, die der japanische Außenminister Nakayama gegenüber seinem chinesischen Kollegen Zou Jiahua, dem Kopf der staatlichen Planungskommission, jetzt aussprach. Zou soll noch im Januar nach Tokio kommen.

Derartige Minister-Gespräche mit den Verantwortlichen für das Pekinger Blutbad aber hatten sich die Regierungen der sieben reichsten Industrieländer, darunter Japan, im Sommer in Paris untersagt. Ebenso hatte man Verhandlungen über Regierungskredite an China gestoppt. Davon waren insbesondere die japanisch-chinesischen Gespräche über einen einzigartigen Rekordkredit von annäherend zehn Milliarden DM betroffen. In Tokioter Regierungskreisen geht man heute davon aus, daß auch diese Gespräche noch in diesem Monat wieder aufgenommen werden.

Die Entscheidung zwischen Tokio und Peking fiel nicht von heute auf morgen. Regierungsgespräche auf Beamtenebene waren bereits im September wiederaufgenommen worden. Anfang Oktober hob Tokio einen Erlaß auf, der japanischen Staatsbürgern davon abriet, China zu bereisen. Hohe Wirtschaftsvertreter Nippons gingen auch nach dem 4.Juni in Peking ein und aus, unter ihnen auch der Vorsitzende des größten japanischen Unternehmerverbandes Keidahren, der seine Regierung im November aufforderte, den Chinaboykott abzubrechen. Im Dezember hatte dann eine Gruppe von 67 japanischen Banken mit der Auszahlung eines Zwei-Milliarden -Dollar-Kredits an Peking klargemacht, daß die Finanzmächtigen notfalls auch ohne die Regierung handlungsfähig sind.

Doch waren Beobachter noch bis vor kurzem davon ausgegangen, daß sich Tokio einen außenpolitischen Alleingang zumindest solange nicht erlauben könne, wie die Weltbank ihre Kredite für China weiterhin sperre. Sie hatten, wie sich jetzt gezeigt hat, unrecht.

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