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Nato reagiert kühl auf Gysis Vorschlag

■ Die Abrüstungsvorschläge des SED-Chefs sind für Brüssel kein Regierungsangebot / Derartige Pläne sollten nur in Wien vorgelegt werden / Admiral Schähling beschwert sich über Intoleranz

Berlin (ap/taz) - Kühl hat die Nato am Montag auf die Vorschläge des Chefs der SED-PDS Gregor Gysi reagiert, die Truppen in der Bundesrepublik und der DDR zu halbieren und bis 1999 alle ausländischen Soldaten aus beiden Teilen Deutschlands abzuziehen. In einer Erklärung der Nato heißt es, bei den Vorschlägen Gysis handle es sich um keine offizielle Regierungshaltung. Alle militärischen Vorschläge müßten außerdem bei den Abrüstungsverhandlungen in Wien vorgebracht werden. In der österreichischen Hauptstadt verhandeln seit März 89 die 16 Nato-Staaten und die sieben Mitglieder des Warschauer Paktes über eine konventionelle Abrüstung in Europa.

Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hat sich unterdessen für eine weitere spürbare Verringerung sowjetischer und amerikanischer Truppen in Mitteleuropa ausgesprochen. Er sehe dafür in einer zweiten Runde der Wiener Verhandlungen gute Chancen. Noch in diesem Jahr müsse das atlantische Bündnis seine Konzeption dafür entwickeln. Bei weiteren Verhandlungen könnten dann Atomwaffen in Europa erheblich verringert werden. Voraussetzung dafür sei, daß sich der Entspannungs- und Demokratisierungsprozeß in Osteuropa fortsetzt.

Optimistisch zeigte sich der Chef der Hardthöhe, daß die erste Runde der Wiener Verhandlungen noch in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen werden kann. An der Legitimation der bundesdeutschen Streitkräfte läßt Stoltenberg aber niemanden kratzen. Die Bundeswehr werde auch weiterhin notwendig sein, um die außenpolitische Handlungsfähigkeit und die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik zu gewährleisten. Bonn habe darüber hinaus auch ein „zentrales Interesse“ an einer weiteren Präsenz der amerikanischen Streitkräfte in Westeuropa. Den Überlegungen aus Unionskreisen zu einer „Europäische Sicherheitsunion“ (ESU) und zur Auflösung der alten Militärblöcke erteilte Stoltenberg indirekt eine Absage.

Der verteidigungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Bernd Wilz hatte am Wochenende vorgeschlagen, die Mitglieder der von ihm angepeilten europäischen Sicherheitsunion sollten auch die neutralen Staaten sein, nicht aber die USA und die Sowjetunion.

Nachhaltig dementierte Stoltenberg Meldungen, wonach der Grundwehrdienst von 15 auf 12 Monate gekürzt werden soll. Die 'Bild am Sonntag‘ hatte am Wochende berichtet, daß derartige Pläne schon fertig in den Schubladen der Bonner Regierung liegen und Kanzler Kohl und Stoltenberg sie noch vor der kommenden Bundestagwahl im Herbst veröffentlichen wollten.

Flottillenadmiral Elmar Schmähling, der ebenfalls eine drastische Reduzierung der Bundeswehrstärke und eine Verkürzung der Wehrdienstzeit auf 12 Monate für sofort umsetzbar erklärt hatte, sieht sich als Opfer der Bundeswehrführung und der „Intoleranz gegenüber der abweichenden politischen Meinung von Soldaten“. In einem von 'ap‘ zitierten Brief an den Befehlshaber der Flotte, Vizeadmiral Klaus Rheder, beschwerte er sich über die praktizierte „Form des Kampfes gegen Meinungspluralismus“ in den Streitkräften.

Schmähling hielt Rheder vor, seine Teilnahme an einer Tagung zu „Rüstungskontrolle und Abrüstung bei Seestreitkräften“ mit einer „Aussperrung“ verhindern zu wollen. Schmähling schickte sein Schreiben unter anderen an den Vorsitzenden des Bundesverteidigungsausschusses Alfred Biehle (CSU) und den SPD-Vereidigungsexperten Erwin Horn.

wg

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