: Kröning will BKA-Coup klären
■ Justizsenator: Rauschgiftfahnder nicht in Grauzone lassen / / ASJ-Chef Isola lehnt verdeckte Ermittlungen ab
„Mein Interesse an diesem Fall ist aus rechtsstaatlichen, juristischen und gesetzgeberischen Gründen viel zu groß, als daß ich ihn untätig in die Grauzone entlasse“, betonte Justizsenator Volker Kröning. Nach wie vor recherchiere er in dieser Sache eigenständig weiter, meinte Kröning zum vorläufigen Ausgang des umstrittenen Kokain-Prozesses. Zum Urteil selbst wollte der Senator ohne Kenntnis der Urteilsbegründung allerdings nichts sagen. Er bestehe jedoch darauf, daß der „Dissens“ zwischen Generalstaatsanwalt und BKA ausgetragen und die bestehenden Fragen geklärt werden. „Bis jetzt hat das BKA uns nur Zwischenstände mitgeteilt, die längst nicht ausreichend sind“ versichert Kröning. Er wolle vor allem wissen, wie sich ausländische Organe oder beauftragte Polizeistellen oder Nachrichtendienste verhalten haben, inwiefern V-Leute eine Rolle spielten und ob dabei,
abgesehen rechtliche Grundlagen und bremische Zuständigkeiten beachtet wurden.
Auch aus gesetzgeberischer Sicht will Kröning, gerade angesichts dieses konkreten Falles, im umstrittenen Problembereich sogenannter „verdeckter Ermittlungen“ die Zuständigkeiten und die Zusammenarbeit zwischen ausländischen und deutschen Dienststellen geklärt wissen: Kröning mutmaßt über Fortwirkungen des Besatzungsstatuts und fordert deshalb bei verdeckten Ermittlungen und ähnliche Praktiken zumindest „gleichberechtigte Zuständigkeiten.“
Für Horst Isola, Bremer SPD-Abgeordneter und Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (ASJ), zeigt der Kokain-Fall, wie notwendig es ist, eine Novellierung der Strafprozeßordnung herbeizuführen: „Je mehr die Behörden, wie hier durch verdeckte Ermittlung, in die Sphäre der
Bürger eindringen, umso sicherer muß dafür die gesetzliche Grundlage sein.“ Neben dieser rein formalen Frage ist für ihn wie für die ASJ ein solch „verdecktes“ oder gar als „agent provokateur“ verkleidete „Ermitteln“ der Polizei „nicht vereinbar mit einer demokratischen Rechtsordnung“. Daß man nur so die organisierte Kriminalität wirkungsvoll bekämpfen könne, sei „irreführend“ und nur in den Kriminalfilmen erfolgreich und praktikabel: „Die Schlacht muß ganz woanders, nämlich im Bankwesen und mit Verbot der Geldwäsche geschlagen werden“.
„Es ist außerdem völlig unmöglich, daß - wie auch im Bremer Fall - Gericht und Verteidigung keine Chance haben, die verdeckten Ermittler zu befragen, da sie ihnen stillschweigend vorenthalten werden“, erklärt Isola und berichtet, daß in den USA die V-Leute in der Regel als Zeugen vor Gericht auftreten
müssen: „Dies ist mit dem Unmittelbarkeitsprinzip, wonach alle Beweismittel in der Verhandlung unmittelbar präsent sein müssen, nicht vereinbar.“ Dies werde in der Bundesrepublik auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geduldet. Falls dies jedoch auch von der Gesetzgebung legitimiert würde, habe die Verteidigung keine Chance mehr, betont Isola.
Unterdesen haben auch die Grünen das verhalten von Justiz und BKA verurteilt: „Es ist verfassungsrechtlich unhaltbar, daß das BKA Menschen zur Kriminalität anstiftet, um sich dann als erfolgreiche Drogenbekämpfer zu profilieren“, so Carola Schumann, Mitglied der Justizdeputation. Bis jetzt wisse keiner genau, welche Praktiken das BKA in diesem Coup angewandt habe, Grüne wie Deputation würden ihrer Meinung nach jedoch auf der rückhaltlosen Offenlegung bestehen.
ra
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen