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Todesurteil mit Problemen

Noch immer Todesstrafe in Belgien / Häftling besteht auf Hinrichtung, obwohl die Strafe nicht mehr angewandt wird / Verurteilter will vor Gericht  ■  Von Hortense Hörburger

Brüssel (taz) - Willy De Coene verbrachte ein wenig freudiges Weihnachtsfest, wurde er doch am 18.Dezember wegen Mordes an einer 71jährigen Frau zum Tode verurteilt. Die grauen Tage zwischen den Jahren haben Willy de Coene auf noch düsterere Gedanken gebracht: Er besteht darauf, daß die verhängte Todesstrafe auch tatsächlich vollstreckt wird, und dies, obwohl er nach wie vor seine Unschuld bestreitet. Mit seinem Wunsch ging er auch sogleich an die Presse und brachte die belgische PolitikerInnen in einige Schwierigkeiten. Artikel acht des belgischen Strafgesetzbuches legt nämlich fest, daß jeder zum Tode Verurteilte enthauptet werden muß, eine Strafe, die freilich im eher friedlichen Belgien seit 1918 nicht mehr angewendet worden ist, mit einer Ausnahme: Von 1944 bis 1950 wurden insgesamt 242 Menschen, denen Kriegsverbrechen zur Last gelegt wurden, erschossen. In der jetzt geltenden Praxis wird die Todesstrafe sofort in eine lebenslängliche Gefängnisstrafe bei harter Arbeit umgewandelt. Ohnehin sind die beiden Guillotinen, die Belgien noch besitzt, nicht einsatzfähig, weil nach Angaben des betreuenden Konservators der Holzwurm drin sitzt. Inzwischen hat der belgische Justizminister Melchior Wathelet eilends erklärt, daß Artikel acht des Strafgesetzes abgeschafft werden müsse.

Willy De Coene will notfalls auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder den Europäischen Gerichtshof anrufen, damit ein Gesetz, das im Gesetzbuch steht, auch ausgeführt wird. Viel Chancen werden ihm nicht eingeräumt, denn schließlich gibt es ein Abkommen des Europarates zur Abschaffung der Todesstrafe, das allerdings von Belgien bislang nicht unterzeichnet wurde. Außer in Belgien ist innerhalb der EG die Todesstrafe nur noch in Irland und Griechenland zulässig.

Marijke van Hemeldonck, belgische Europaabgeordnete, die zum linken Spektrum der SP (flämische Sozialisten) gehört, verurteilte die in ihrem Land bestehende Gesetzeslage. Sie könne die Todesstrafe noch nicht einmal für einen Naziverbrecher akzeptieren. Allerdings stellte sie auch das belgische Gefängnissystem an den Pranger: Ein Gefangener habe Anspruch auf einen „moralischen“ Berater, der oftmals ein Geistlicher sei. Die seien aber oft nicht darauf vorbereitet, einem Menschen zu helfen, um nach einer Verurteilung mit sich ins Reine zu kommen. „Viele von uns haben schon einmal einen Todeswunsch gehabt“, so sagt sie, „aber deshalb muß dem doch nicht nachgegeben werden und schon gar nicht institutionell.“

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