: Wachstumsrekord für die Achtziger
■ Bruttosozialprodukt stieg um 4 Prozent / Schere zwischen Lohn- und Gewinnzuwächsen klafft weiter auseinander / Exporte sind Wachstumsmotor / Gute Argumente für Metall-Tarifrunde
Berlin (dpa/taz) - Die regierenden Politiker in Bonn dürfen jubeln. Nach den jetzt veröffentlichten offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes ist das um die Inflationsrate bereinigte bundesdeutsche Bruttosozialprodukt im abgelaufenen Jahr um vier Prozent gestiegen und hat einen Wert von 2,25 Billionen DM erreicht. Diese höchste Wachstumsrate seit zehn Jahren liegt weit über den zu Beginn des Jahres abgegebenen Prognosen. Hinter diesem Wachstumserfolg verbergen sich eine ganze Reihe von Problemen. So gingen zwar die Arbeitslosenzahlen im Jahresdurchschnitt um etwa 200.000 auf 2,04 Millionen zurück und stieg die Zahl der Erwerbstätigen um 343.000 an. Infolge der Zuwächse der Arbeitsproduktivität konnte sich selbst dieses hohe Wachstumstempo nicht in einer nachhaltigen Verbesserung der Arbeitsmarktlage niederschlagen. Der anhaltend hohe Zustrom von Aus- und Übersiedlern dürfte die Arbeitslosigkeit verstärken.
Einkommensmäßig profitiert von diesem Wachstumsspurt haben vor allem die Unternehmens- und Vermögensbesitzer, deren Bruttoeinkommen sich um 8,3 Prozent erhöht hat. Demgegenüber sind die Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit lediglich um 4,5 Prozent gestiegen. Damit ist der Anteil der Löhne am Volkseinkommen durchgehend seit 1981 gesunken.
Negativen Einfluß hatte der Wachstumsschub auch auf die Inflationsrate. Bei vollausgelasteten Kapazitäten konnten die Unternehmen die Preise erhöhen: 2,8 Prozent durchschnittliche Teuerungsrate ist Spitzenwert seit 1983.
Zu verdanken ist das Wachstum wesentlich der hohen Auslandsnachfrage, die auf die Spitzenstellung der bundesdeutschen Industrie im Weltmarkt verweist. Vor allem in den wichtigen Exportbranchen Auto, Maschinenbau, Elektro und Chemie sind die Kapazitäten dank ausländischer Order voll ausgelastet. Allein der Überschuß im Außenhandel beschleunigte das gesamtwirtschaftliche Wachstum um 1,7 Prozentpunkte.
Profitiert hat das Wachstumstempo schließlich auch von Ereignissen, die von den Statistikern gerne als „Sonderfaktoren“ bezeichnet werden. Dazu zählen zum ersten die fast 14 Millionen DDR-Besucher, die seit Durchlässigkeit der Grenze den privaten Verbrauch in der Bundesrepublik um 2,5 Milliarden DM angekurbelt haben. Der zweite Sonderfaktor sind die hohen Zinseinnahmen aus dem Ausland, die sich aus den steil angestiegenen Geld- und Kapitaleinlagen im Ausland ergeben.
Für die Gewerkschaften kommt das Zahlenwerk des Statistischen Bundesamtes zur rechten Zeit. Bei den anlaufenden Metall-Tarifverhandlungen haben sie einen Trumpf in der Hand, der die Arbeitgeber in die Defensive bringen dürfte.
Kurt Zausel
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