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"Stinkt-nicht"-betr.: "Rätsel auf der WIrtschaftsseite", taz vom 6.1.90

betr.: Rätsel auf der Wirtschaftsseite, taz vom 6.1.90

Während ich mich einmal mehr Eurer sich zäh dahinquälenden Serie zum EG-Binnenmarkt widmete, fiel mein Blick zufällig auf das mich ansonsten wenig interessierende taz-Rätsel. Und was durfte ich da unter „stinkt-nicht“ (haha! Schon ein Vorgriff auf den Geruch verbrannten Menschenfleischs?) entdecken? „Produktionsziel in Ausschwitz“. Hatte ich richtig gelesen? „Stinkt-nicht“ 6., zwischen 5. „Dynamische Abkürzung“ und 7. „Kleine ökonomische Einheit“, „Produktionsziel in Auschwitz“. Was bringt der sehr geehrte Herr Rätselverfasser denn als Begründung für diese unsägliche Frage vor? „Reg‘ dich nicht auf - ist doch bloß 'n Kreuzworträtsel.“ Oder wie wäre es mit: „Das bringt die Leute mal wieder zum Nachdenken über die Gefahren des Nationalsozialismus.“ Oder...

(...) Was erwartet uns denn so in den nächsten taz-Rätseln? Wie wär‘ es denn zum Beispiel mit „Beliebtes SS-Spiel in Treblinka“? Oder „Gemeinheit in Bergen-Belsen“? Oder „Mangelware in Buchenwald“? Dem Verfasser des Rätsels fällt bestimmt noch was Netteres, Brauchbareres ein.

Es ist wirklich eine Glanzleistung, daß eine Tageszeitung, die sich „alternativ“ dünkt und sich noch in der Einleitung zum taz-Rätsel damit brüstet, „daß der Rätselgerichtshof“ (muß es nicht Volksgerichtshof heißen?) „beim letzten Rätsel eine Einsendung neonazistischen Zuschnitts von der Verlosung des Gewinns ausgeschlossen hat“, die Banalisierung der systematischen Massenvernichtung der Juden im Dritten Reich betreibt. (...)

Keine 45 Jahre nach Kriegsende ist die „Vergangenheitsbewältigung“ auch in der taz auf dem besten Wege. Angefangen bei der nationalistischen, chauvinistischen Berichterstattung über die Ereignisse in der DDR bis zur Banalisierung des Leidens und Elends von Auschwitz als Frage im Kreuzworträtsel. Die Frage, ob es nach Auschwitz noch möglich sei, Gedichte zu schreiben, beantwortete die taz mit selbstverständlicher Dreistigkeit: Wenns schon nicht mehr für Gedichte reicht, dann doch wenigstens fürs Kreuzworträtsel.

Als Gasttexter für die nächsten taz-Rätsel möchte ich Euch noch Schönhuber, Klein und Waigel ans Herz legen, die ihrerseits umfangreiche Erfahrung mit der SS, dem internationalen Judentum und den ehemaligen (?) deutschen Ostgebieten haben, und ein erhebliches, kreatives Potential für diese Ausgabe darstellen dürften.

Heinz-Jürgen Bremm, Dortmund

Anmerkung der Redaktion: Auschwitz wird mit einem „s“ geschrieben. Die Auflösung der Frage nach dem dortigen Produktionsziel hieß „Vernichtung“ - der Nationalsozialismus hatte seine eigene Ökonomie. Das hat mit Banalisierung nichts zu tun.

„Stinkt-nicht“ ist ein Wortspiel mit „senkrecht„; wer das Rätsel regelmäßig liest, weiß das. Der „Rätselgerichtshof“ hat seinen Namen natürlich nicht vom Volks-, sondern vom Bundesgerichtshof usw. usf.

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