piwik no script img

Mediengesetz für „ausgewogene Information“

■ Gesetzgebungskommission beim Justizministerium legt Mediengesetzentwurf vor / Er soll am runden Tisch beraten werden und bis zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung gelten / Zensur und Lizensierung aufgehoben / Neue unabhängige überregionale Tageszeitung

Ost-Berlin (taz) - Die aus rund 60 Vertretern von Medien und Gruppen bestehende „Gesetzgebungskommission Mediengesetz“ beim DDR-Justizministerium hat einen Entwurf für ein solches Gesetz vorgelegt, der bis zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung nach den Wahlen am 6.Mai dieses Jahres gelten soll. Er wird voraussichtlich am nächsten Montag am runden Tisch beraten und anschließend der Volkskammer zur Beschlußfassung weitergeleitet.

Der Entwurf betont das Recht aller Bürger auf „freie Meinungsäußerung“ und auf „wahrhaftige, vielfältige und ausgewogene Informationen durch die Massenmedien“. Alle staatlichen Organe, Parteien, Gruppen, Religionsgemeinschaften und sozialen Minderheiten sollen das Recht auf „angemessene Darstellung in den Medien“ bekommen.

Nicht nur die Zensur, auch die Lizenzvergabe im Bereich der Druckmedien ist nach diesem übergangsgesetz aufgehoben. Zukünftig soll statt dessen nur noch eine Registrierung nötig sein. Der Ministerrat soll aufgefordert werden, für neue Printmedien „im Interesse der Chancengleichheit einen öffentlich kontrollierten gesellschaftlichen Fonds für Druck - und Papierkapazitäten zu schaffen“ und auch eine unabhängige überregionale Tageszeitung „in Übereinstimmung mit dem runden Tisch“ zu gewährleisten.

Auch die Rechte der Journalisten sollen gestärkt werden. Staatorgane, Parteien und Organisationen sind „verpflichtet, den Medien alle Auskünfte zu erteilen“, heißt es im Entwurf. Umgekehrt dürfen die Medienarbeiter nicht zur Ausarbeitung eines Beitrags gezwungen werden, „wenn Themenstellung und Auftrag ihren persönlichen Überzeugungen widersprechen“.

Verboten ist danach allerdings, die Medien für „Kriegshetze, Aufruf zur Gewalt, Bekundung von Glaubens-, Rassen- und Völkerhaß sowie für militaristische, faschistische, revanchistische und andere antihumanistische Propaganda zu mißbrauchen.

Monopolisierung

ausgeschlossen?

Die Bestimmungen über die mögliche Beteiligung bundesdeutscher Medienzaren an DDR-Druckschriften klingen recht verwaschen. Bei Eigentumsbeteiligungen von Ausländern müßten „Monopolisierungsprozesse ausgeschlossen werden“, heißt es nur. Eine Trennung zwischen redaktioneller Arbeit und finanzieller Beteiligung sei zu gewährleisten.

Allerdings soll ein von der Volkskammer auf Vorschlag des runden Tisches installierter „Medienkontrollrat“ die Durchführung dieses Beschlusses überwachen. Ihm sollen Vertreter von gesellschaftlichen Gruppen und unabhängige Persönlichkeiten angehören. Die Generalintendanten von Rundfunk und Fernsehen und auch der Generaldirektor der Nachrichtenagentur 'adn‘ sollen dem Kontrollrat gegenüber „berichtspflichtig“ sein, sie werden nach dem Entwurf vom Ministerpräsidenten berufen und vom Medienkontrollrat bestätigt.

Dennoch: Rundfunk, Fernsehen und 'adn‘ sollen explizit als „unabhängige öffentliche Einrichtungen, die nicht der Regierung unterstehen“, fungieren. Sie seien im Volkseigentum, und bis zur ihrer Umgestaltung in öffentlich -rechtliche Anstalten müsse der Staat ihre Finanzierung garantieren. Nebeneinnahmen durch Werbung seien in den elektronischen Medien bis zum Erlaß einer entsprechenden gesetzlichen Regelung durch den Ministerrat nicht gestattet.

Mitbestimmung der Journalisten

Allen Medien wird im Entwurf die Einrichtung von „gesellschaftlichen Räten“ empfohlen, für Rundfunk, Fernsehen und 'adn‘ sollen sie sogar ein Muß sein. Außerdem sollen sich die Medienarbeiter innerhalb ihrer Organe Statuten geben, in denen auch die „demokratische Mitbestimmung der journalistischen und künstlerischen Mitarbeiter“ gesichert wird. All diese Übergangsregelungen sollen nach den Wahlen durch ein endgültiges Mediengesetz abgelöst werden. Vorschläge dazu soll eine Kommission unter Leitung des Justizministers ausarbeiten, der Vertreter aller Parteien und gesellschaftlichen Gruppen sowie Wissenschaftler, Journalisten und Vertreter der entsprechenden Verbände angehören werden.

usche

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen