Asylbewerber überfüllen das Ausländeramt

■ Das Ausländer-Amt wird mit der steigenden Anzahl der Asylbewerber nicht fertig / „Die Politik schert sich einen Dreck drum“

Wenn die Angestellten des Bremer Ausländeramtes Abteilung Asyl-Bewerber morgens die Tür zu ihrer Dienststelle am Wall aufschließen, dann droht ihnen Gefahr: Einige Dutzend Antragsteller aus aller Herren Länder warten da schon - die Kollegen müßten schon mal „wie Armin Harry“ weglaufen, wenn sie ins Ausländeamt hinein und die Treppe hoch stürmen. „Schlimmer als wenn Werder Bremen gegen AC Mailand spielt“ gehe es vor den Schaltern des Amtes zu, berichtet der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Hans Schulz, und insbesondere um die feiertagsträchtige Weihnachtszeit herum sei es schon mal „wirklich lebensbedrohend“ für die Kollegen gewesen. In den kleinen, fensterlosen Fluren, die stundenlang von Wartenden überfüllt sind, ist es zu handfesten Auseinandersetzungen gekommen, ein Angestellter trug bei einem Schlichtungsversuch Würgemale am Hals davon, mit Stühlen seien da konkurrierende Antragsteller aufeinander losgegangen, und mehr als einmal mußte

die Polizeiwache 6 alarmiert werden. Kurz: „Es ist nicht möglich, Ordnung zu halten“. Dabei können die Angestellten im Ausländeramt die aufgestaute Agression und den psychischen Druck der Asylbewerber durchaus verstehen: „Es geht um die ärmsten der Armen auf der Welt“, und ohne den Stempel des Ausländeramtes könne auch eine 11köpfige Familie aus dem Libanon nicht zum Sozialamt gehen und um ein Hotelzimmer zur Übernachtung bitten.

Die Bediensteten haben ihre Gewerkschaft eingeschaltet, denn „so geht das nicht weiter“. Der Kollege Sigfried Rotaut fühlt sich „verraten und verkauft“. Die Arbeit mache keinen Spaß mehr, der Krankenstand steige, vier oder sechs Stunden Publikumsverkehr ohne Unterbrechung in dieser Art ruinieren die Nerven. Was Personalrat Peter Stierung überhaupt nicht versteht: die schleppende Bearbeitung der Anträge kostet Millionenbeträge zusätzlicher Sozialhilfe, die Summe von 3,7 Millionen für ein Jahr steht in einer offiziellen Senatsvorlage - die Mitarbeiter des

Amtes haben einen Vorschlag gemacht, der bei zehn neuen Stellen plus Miete angemessener Räumlichkeiten vielleicht eine Million pro Jahr an Mehrkosten bringen würde. Aber, so der Sozialdemokrat und GdP-Chef Schulz: „Die Politik schert sich einen Dreck darum.“ Der Innensenator Sakuth habe eingesehen, daß 10 Stellen erforderlich sind, es seien im Senat allerdings nur 5 bewilligt worden. Und bis dann die Verstärkung im Amt ankommt, dauert es Monate - zum Glück, denn in den vorhandenen Räumlichkeiten könne man „keinen Tisch und keinen Stuhl“ mehr für sie aufstellen. Und die Kollegen von der Justiz hätten schon signalisiert, daß eine schnellere Bearbeitung beim Ausländeramt nur den Stau beim Amtsgericht vergrößern würde... Dabei werden

Asylbewerber, die „aus exotischen Ländern“ (Schulz) kommen und deren Identität überprüft werden soll, immer noch zur Kripo geschickt - die macht, was eigentlich eine „polizeifremde Aufgabe“ sei, die „erkennungsdienstliche Behandlung“ in Amtshilfe, berichtete Schulz.

Der Sprecher des Innenressorts, Klehne, kennt die „Schwierigkeiten“ bei der Asyl-Stelle. Der Innensenator hatte einen Termin „vor Ort“ gehabt im November, allerdings fiel der auf einen Mittwoch und da hat das Ausländeramt fürs Publikum geschlossen. Klehne über die Zustände im Ausländeramt: „Daß es so nicht geht, wissen wir.“ Der Senatsdirektor stehe in ganz akuten Verhandlungen, um das Raumproblem zu lösen - Konkretes will er deswegen nicht sagen.

Daß die Zahl der Asylbewerber steigt, ist aber ein seit langem bekannter Trend. Im Jahre 1987 waren es noch 750 Anträge, im Jahre 1988 1700, 1989 schon 2800 - insbesondere im zweiten Halbjahr ist die Zahl weiter drastisch gestiegen. Deshalb prognostiziert der Leiter des Ausländeramtes, Trappmann, für 1990 rund 4000 Anträge. In Bremen überproportional - hier gelte eine liberalere Kurden -Regelung, auch anderswo abgelehnte Asylbewerber werden in Bremen „geduldet“. Einige würden jetzt „ihre ganze Sippe nachholen“. Nach Bremen kommen auch viele, so Rotaut, „weil es in anderen Bundesländern Sammellager gibt“. Personalvertreter Stiering: „Wenn man ein derartiges Asylrecht will, muß man die Bedingungen dafür schaffen.“

K.W.