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Krankenhausskandal in Japan

Ministerium deckt schlampigen Umgang mit radioaktivem Material auf / Bericht: „Material liegt einfach rum  ■  Von Ch. Yamamoto u. G. Blume

Tokio (taz) -Seit dem 6.August 1945 kümmern sich japanische Ärzte um die Opfer der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki. In dem eigens für die „Hibakusha“, die überlebenden Opfer der Atombomben, in Hiroshima hergerichteten Krankenhaus, wissen die Mediziner besser als irgendwoanders auf der Welt über die grausamen Auswirkungen radioaktiver Strahlung Bescheid.

Ist es dennoch möglich, daß die japanische Ärzteschaft, gänzlich fahrlässig und unter Gesundheitsgefährdung von Patienten und Krankenhausmitarbeitern mit den heute alltäglich in der Medizin angewandten radioaktiven Stoffen umgeht?

Diese Vermutung liegt nahe, nachdem das Tokioter Wissenschafts- und Technologieministerium in der vergangenen Woche die Nation in ungläubiges Staunen versetzte. „Beispiellose Vernachlässigung im Umgang mit radioaktiven Stoffen“, warf das Ministerium ausgerechnet dem „Medizinischen Schulkrankenhaus der Universität Tokio vor“, dem in Japan mit Abstand renommiertesten medizinischen Institut.

Bereits im November vergangenen Jahres, so das Ministerium, haben staatliche Kontolleure an der Universität Tokio entdeckt, daß über die bei der Behandlung verbrauchten radioaktiven Stoffe niemand Buch führe. „Gefährliche Stoffe liegen einfach rum“, notierte ein Beamter.

„Beim Wegwerfen des radioaktiven Abfalls nehme kein Arzt Notiz.“ Die Kontrolleure hatten nämlich im Krankenhaus ein altes, bereits in seine Teile zerlegtes Bestrahlungsgerät gefunden, in dessen Überresten sie einen der gefährlichsten radioaktiven Stoffe, Strontium 90, entdeckten.

Angeblich konnten bei den Krankenhausmitarbeitern keine Spuren der radioaktiven Strahlung festgestellt werden. Doch die Bilanz des Ministeriums fiel verheerend aus: „Die Wissenschaftler an der Universität Tokio ignorierten die Gefahr und wußten nichts vom Umgang mit Radioisotopen. Es fehlte das Bewußtsein, daß man mit radioaktiven Stoffen umgeht. Es geht um ein Problem, das die Moral der Wissenschaftler betrifft“, folgerte ein Ministerialbeamter.

Kaum jemals zuvor in der Nachkriegszeit hatte es ein Staatsbeamter gewagt, Mitglieder der Ärzteschaft derart scharf anzugreifen. Er ergänzte, daß bei der Hälfte der japanischen Krankenhäuser, an denen das Ministerium Untersuchungen über den Umgang mit radioaktiven Stoffen angestellt habe, Mängel festgestellt wurden. Alle vorausgegangenen behördeninternen Verwarnungen waren folgenlos geblieben, so daß sich das Ministerium nun zur Veröffentlichung des Skandals durchrang.

Mit gewohnter Arroganz reagierte die Krankenhausleitung. Man werde „bis zum Ende des Monats“ eine Kommission einberufen, die dann einen „neuen Plan“ für die Verwendung und Beseitigung des radioaktiven Materials aufstelle.

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