„Wer sind Sie, Herr Nicolae?“

■ 'Romania Libera‘ deckt auf, wie ein Securitate-Offizier nach der Revolution Minister wurde Fünf Tage im Amt / Der Autor, der elf Monate im Gefängnis saß, gilt schon als eine Art Volksheld

Bukarest (taz) - Die Beschäftigten des Außenhandelsministeriums atmeten auf. Endlich hatten sie wieder eine Führungspersönlichkeit an ihrer Spitze. Nicolae M. Nicolae, so hieß der Mann, hatte am Morgen des 6. Januar das Gebäude betreten und sogleich die Mitarbeiter zusammenrufen lassen. Er sei der neue Minister und werde ab sofort die Amtsgeschäfte übernehmen, erklärte er und kündigte als erste Maßnahme die Gründung einer Superdirektion an, die sich mit der Organisation und der Kontrolle des Personals beschäftigen sollte. Als Direktor dieses Kontrollorgans stellte er seinen alten Freund Mircea Anastase vor.

Vier Tage gelang es dem Team, das Ministerium zu leiten, ohne Widerspruch zu ernten. Erst am letzten Freitag kam dann ans Licht, wer sich auf dem Chefsessel breit gemacht hatte. Nicolae M. Nicolae, so die Zeitung 'Romania Libera‘, die ehemalige Parteizeitung 'Scinteia‘, sei nämlich nichts anderes als ein langgedientes Mitglied der Securitate. Auch Mircea Anastase gehörte der gleichen Organisation an. Die Köpenickiade des 68jährigen, mittlerweile pensionierten Geheimdienstoberst wirft ein Schlaglicht auf die Art und Weise, wie sich die Regierung gebildet hatte.

Dabei war Nicolae M. Nicolae alles andere als ein kleiner Fisch. Der ehemalige Direktor von „Techno Import“ wurde schon 1964 mit dem Beginn der Ceausescu-Diktatur Geheimdienstoberst. Als er 1976 Botschafter in Washington wurde, war er es, der die Geheimdienstarbeit dort koordinierte, ein nicht unwichtiger Posten, hatte er doch auch für die Industriespionage zu sorgen, deren Ergebnisse später als persönliche Erfindungen der „größten Chemikerin aller Zeiten“, Elena Ceausescu, ausgegeben wurden.

Immerhin war schon seit Mitte der achtziger Jahre, seit den Memoiren des Überläufers Pacepa bekannt, daß der Botschafter in Washington ein hoher Securitate-Mann war. Und jeder Rumäne kann dies heute nachlesen, denn, Zufall oder nicht, gerade an dem Tag, als der Artikel über Nicolae M. Nicolae erschien, wurde der Teil aus den Memoiren abgedruckt, bei denen es um den Washingtoner Botschafter ging.

Und noch etwas war mit dem Artikel verbunden, das den Rumänen Hoffnung macht. Denn bis jetzt gehört eine Portion Mut dazu, mit dem Investigative Journalism in Rumänien zu beginnen. So ist der Verfasser des Artikels gegen Nicolae M. Nicolae schon jetzt zum Volkshelden aufgerückt.

Noch bis zum 22.Dezember im Gefängnis, in dem er seit elf Monaten gesessen hatte, eilte er nach seiner Entlassung in die Redaktion der ehemaligen Parteizeitung. Ihm, der verhaftet wurde, weil er im Januar letzten Jahres mit zwei anderen Journalisten und einem Setzer Flugblätter gegen Ceausescu drucken wollte, wird im Gegensatz zu anderen Berufskollegen Vertrauen in der Bevölkerung entgegengebracht. „Ich kann über Informationen nicht mehr klagen und werde so lange weitermachen bis der letzte Kollaborateur aus hohen Stellungen verschwunden ist“, erklärte der kleine, verschmitzte Mann am Freitag gegenüber der taz.

Erich Rathfelder