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Moskau diskutiert, Litauer schaffen Fakten

■ M-1 - Erster Privatsender in der UdSSR

Selbst Gorbatschow kann sich dieser Tage mit Privatfunk entspannen. Der erste Privatsender der Sowjetunion steht im litauischen Vilnius, heißt M-1, bringt weniger Wort, aber mehr Inhalt und ist in halb Litauen zu hören.

M-1 macht im Prinzip dasselbe wie die großen Privatsender in der Bundesrepublik. M-1 bietet eine Kombination von Musik, Unterhaltung und aktueller Information in UKW-Stereo -Qualität. Zu hören ist das Programm im Umkreis von 100 bis 150 Kilometer um Vilnius herum - zur Erholung von den Langweilern der staatlichen Gostelradio-Programme. Garantiert wird der Empfang von M-1 allerdings nur für HörerInnen, die über ein entsprechendes UKW-Radio verfügen und die sind defizitär. Aber Programm- wie Radiodefizit werden auf Privatinitiative beseitigt. M-1-Montagetrupps sind unterwegs, um auf Wunsch in den Haushalten die Radios auf M-1 zu trimmen. Programmdirektor Rimantas Pleikis hofft auf Popularität, denn M-1 arbeitet auf eigene Rechnung. Die Anfangsfinanzierung kam vom Komsomol, dem Kommunistischen Jugendverband Litauens, der schon im vergangenen Jahr sehr zum Ärger Moskaus seine Beitragszahlungen an die Komsomol -Zentrale einstellte und sich von ihr überhaupt abtrennte Wegbereiter für die KP Litauens. Jetzt baut M-1 auf Werbeeinahmen.

Programmdirektor Pleikis erklärt die Programmrichtlinien: kurze und objektive Information, viel Musik, dabei Klassik ebenso wie Folklore und Avantgardistisches. M-1 schreckt auch vor dem nicht zurück, was in der bundesdeutschen ARD die „Erbschleichersendung“ genannt wird: Wunschkonzerte und Glückwunschsendungen sorgen für HörerInnenbindung. Eingestreute Werbung ist sowohl von Privatpersonen wie von Organisationen und Firmen willkommen. Jetzt fehlt nur noch der Programmaustausch mit bundesdeutschen Privatfunkern.

Das Baltikum ist in der Sowjetunion immer eine Nasenlänge voraus: Die Litauer schaffen Fakten, während im Moskauer Obersten Sowjet noch über ein neues Pressegesetz diskutiert werden soll, das dann allerdings auch in der UdSSR insgesamt den Weg für Privatfunk freimachen könnte.

Gisbert Mrotzek

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