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Eine untergegangene Brücke taucht wieder auf

Deutsches Kapital soll feste Landverbindung nach Skandinavien finanzieren /Dänische und schwedische Sozialdemokraten schwenken auf brückenfreundliche Gewerkschaftslinie ein  ■  Aus Kopenhagen Reinhard Wolff

Noch vor wenigen Monaten schien die feste Straßen- und Bahnverbindung zwischen Dänemark und Schweden endgültig in den Wellen zu versinken. Das war, als die schwedischen Staatsbahnen ihr Nein zu einer Mitfinanzierung dieses Milliardenprojekts verkündeten zugunsten eines umweltfreundlicheren und ökonomischeren Ausbaus der Fährverbindungen. Der Ausfall des Mittelteils einer autofreundlichen Abgasschneise zwischen Skandinavien und dem Kontinent gab Hoffnung, daß das gesamte „Scan-Link„-Projekt damit zu den Akten gelegt werden würde.

Doch die Freude der Umweltschützer rechts und links des Öresunds kam möglicherweise zu früh. Das Projekt einer Brücke über diesen Öresund zwischen Kopenhagen und Malmö ist unvermittelt wieder aus den Fluten aufgetaucht. Innerhalb nur weniger Tage kamen aus Kopenhagen, Stockholm und Frankfurt Signale, die die Umweltschutzorganisationen alarmierten. Eine brückenfreundliche große Koalition aus Gewerkschaften und Industrie hat die dänischen Sozialdemokraten auf „Scan-Link„-Linie gebracht, bei der schwedischen Bruderpartei ist die Weiche ebenfalls umgelegt worden. Zusätzlich hat sich das bundesdeutsche Kapital in Form der Deutschen Bank eingemischt mit der Ankündigung, mögliche Finanzierungslöcher schließen zu wollen.

Vorsichtshalber war dieses Finanzierungsangebot von dem Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Eckart van Hooven, gleich mit dem Hinweis verbunden worden, bei einer Nichtweiterverfolung des Projekts könne er sich auch eine Blockierung von Finanzmitteln für die Elektrifizierung der Bahnstrecke Hamburg - Flensburg - Odense vorstellen. Ausgespielt wurde die Osteuropa-Karte: Wegen der Entwicklungen im sozialistischen Raum, so die unverhohlene Drohung, lägen die Interessen der bundesdeutschen Banken in den nächsten Jahren eher in dieser Region als in Skandinavien. Eine Art von „gedanklicher Nachhilfe“, die mancheN DänIn als erstes die Worte „großdeutsch“ und „Herrenmensch“ aus dem Deutschwortschatz hervorkramen läßt und selbst Verkehrsminister Knud Östergaard veranlaßte, über derlei „Drohgebärden“ zu klagen. Nichtsdestotrotz: Die D -Mark ist bei den Landschaftsasphaltierern natürlich gern gesehen, um das durch das „Nein“ der schwedischen Bahn entstandene Loch zuzukippen.

Wie nahezu einhellig auf der parteipolitischen Ebene das „Ja“ zu einer Öresund-Brücke auf dänischer Seite zwischenzeitlich gediehen ist, machte eine Parlamentsdebatte deutlich: Die bislang noch schwankenden Sozialdemokraten schlugen sich auf die Seite der Brückenfreunde von der konservativen Minderheitsregierung Schlüter - eine Folketin -Mehrheit steht. Wenn Verkehrsminister Östergaard die Rentabilität einer Brücke weiterhin davon abhängig machen will, daß die schwedische Bahn ihre Pläne zum Ausbau des Fährverkehrs nicht verwirklicht, wurde dies in der Parlamentsrunde nicht mehr so recht ernst genommen. Da seien wohl schon taktische Positionen für die Verhandlungen mit der schwedischen Regierung bezogen worden.

Zu solchen Verhandlungen mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses gab das Folketin der Regierung Schlüter grünes Licht. Die dänische Delegation wird im nächsten Monat in Stockholm vermutlich auf kooperationsbereite KollegInnen treffen. Die Weichen hierzu wurden bereits gestellt. Ministerpräsident Carlsson, dem nach Meinungsumfragen in den letzten Monaten WählerInnen in zweistelliger Größenordnung weggelaufen sind, bildete sein Kabinett um und räumte dabei dem Gewerkschaftsboss Rune Molin die Schlüsselposition des Industrieministers ein. Von Molin wird je nach Standpunkt erhofft bzw. befürchtet, daß er „zuviel Grün“ aus der Wirtschaftspolitik austreibt und diese auf stramm industriefreundlichen Kurs bringt.

Was eine Öresund-Verbindung angeht, so sind sich Gewerkschaften und Wirtschaft schon lange in einem „Ja“ einig. Die einen wegen der damit angeblich gesicherten Arbeitsplätze, die anderen wegen der erhofften guten Geschäfte mit dem „Kontinent“. Die regierenden Sozialdemokraten waren und sind in dieser Frage in nahezu gleich starke Lager gespalten. Carlssons Gewerkschaftsschwenk hat dieses Gleichgewicht verschoben. Statt der in der Regierungserklärung gelobten „grünen“ Politik nun also grünes Licht für die bei Umweltschützern so ungeliebte Autorennstrecke?

Die Einschätzung von Sven Auken, Vorsitzender der dänischen Sozialdemokraten, „die schwedische Arbeiterpartei ist auf dem Weg zu einem Ja“, dürfte mehr als bloße Vermutung sein. Zumal man in Stockholm bereits einen bisher heiligen Grundsatz gestrichen hat, daß solche Projekte nämlich über das Staatsbudget finanzierbar sein müßten. Nun soll es auch das Privatkapital sein dürfen, und da eben nicht unbedingt nur das einheimische.

Sollte sich nicht noch eine kräftige Gegenmeinung in der dänischen und schwedischen Bevölkerung bemerkbar machen, scheint alles auf eine Verwirklichung des Öresundprojekts hinauszulaufen. Dies allerdings nur als erste Etappe der „Scan-Link„-Pläne, Dänemark auf den Rang eines Transit -Durchgangslands ähnlich wie Österreich zu degradieren. Steht erst einmal die Öresund-Brücke, ist das nächste „verkehrstechnisch zwingende“ Bauwerk schon ausgemacht: die feste Brückenverbindung zwischen der Bundesrepublik und Dänemark über den Fehmarn-Sund, auf dem jetzt die Fähren der Vogelfluglinie verkehren. Hierauf richtet sich schon jetzt das eigentliche Interesse der großzügigen DM-Zusager. Dänemark würde dann zu einer Transitstrecke, die in zwei Stunden „zu machen“ sein wird.

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