: Mit alten Versprechungen in die Neunziger
Eifrig ermittelt Aquinos Administration gegen die Putschisten vom Dezember / Mit Preisbindungen und Ausbau der Infrastruktur begegnet die Regierung der allgemeinen Orientierungslosigkeit / Die angekündigte Agrarreform scheitert noch immer an den Großgrundbesitzern ■ Aus Manila Gebhard Körte
„Ich bezweifle, daß es dieses Jahr einen Putsch geben wird“, verkündete der führende philippinische Astrologe Serafin Lanot in der 'Manila Times‘ vom 7.Januar. In einer Konkurrenzzeitung kam Wahrsager Rene Mariano nach intensiver Befragung seiner Tarotkarten dagegen zum grimmigen Schluß: „Der Putsch ist noch nicht vorüber, was wir jetzt haben, ist nicht mehr als eine Feuerpause.“
Mindestens ebenso vage und widersprüchlich wie die Okultisten, die in schlechten Zeiten bekanntlich Konjunktur haben, äußern sich Politiker, Militärs und Wirtschaftsberater zur Chance der Aquino-Regierung, die bis Juni 1992 dauernde Legislaturperiode zu überstehen. Ist es noch der Nachhall der ersten Dezemberwoche oder ein anhaltender Hang-over nach den traditionellen Silvesterorgien mit mindestens acht Toten und mehr als 2.000 Verletzten allein in Manila, der lähmend über dem Land liegt? Oder ist die depressive Atmosphäre eher der Orientierungslosigkeit und Resignation der Bevölkerung zuzuschreiben? Die meisten haben sich längst von der Administration abgewendet, jedoch weder in einer rechten Junta noch im politischen Programm der linken Untergrundorganisation „Nationale Demokratische Front“ eine akzeptable Alternative gefunden.
Aquino hat in den Wochen nach der bislang ernstesten Bedrohung ihrer Administration zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um ihre angeschlagene Position zu konsolidieren. Sie hat die geforderten Notstandsvollmachten vom Kongreß erhalten und noch im Dezember eine neuerliche Kabinettsumbildung vorgenommen. Eine mit umfangreichen Befugnissen ausgestattete Kommission soll Hintergründe und das Gesamtausmaß der Konspiration aufdecken. Gegen festgenommene Putschoffiziere und mutmaßliche Unterstützer in Politik und Wirtschaft, wurden Ermittlungsverfahren wegen Rebellion eingeleitet - auch gegen den einzigen Oppositionssenator und früheren Verteidigungsminister Enrile, den langjährige Marcos-Anwalt Rafael Recto und den Ex-Oberst und jetzigen Gouverneur der Provinz Cagayan, Rodolfo Aguinaldo. Gefaßt wurde der ehemalige Oberstleutnant der Miliz, Billy Bibit, und am Montag der Presse vorgeführt. Für die Ergreifung Bibits hatte die Regierung eine Belohnung von umgerechnet etwa 37.000 DM ausgesetzt. Der Anführer der Putschisten, Ex-Heeresoberst Gregorio Honasan, ist nach wie vor flüchtig.
Unlizensierte Schußwaffen, deren Zahl auf mindestens 189.000 geschätzt wird, sollen während eines befristeten Amnestieangebotes abgeliefert, danach vom Militär konfisziert werden. Die Luftfahrtbehörde wurde aufgefordert, vorübergehend die Kontrolle über alle Privatflugplätze zu übernehmen und die Verwicklung von Privatflugzeugen in die Rebellion zu untersuchen. Für Grundnahrungsmittel und Brennstoffe zum Kochen wurden Preishöchstgrenzen festgesetzt. Der sich anbahnende Zusammenbruch des öffentlichen Nahverkehrs in Manila soll durch den zügigen Import von Bussen gebremst werden. Stromausfälle, die besonders die Hauptstadt und die benachbarten Industriestandorte empfindlich treffen, sollen durch den Ausbau der Kraftwerkkapazitäten bis Juni der Vergangenheit angehören. Das Arbeitsministerium wurde angewiesen, unter Beachtung geltender Gesetze Streiks mit allen Mitteln binnen 24 Stunden durch außer tarifliche Schlichtung zu beenden.
Die tiefe Krise des Landes läßt sich durch diesen plötzlichen Aktionismus allein nicht überwinden. Corazon Aquino hat kaum eines ihrer Wahlkampfversprechen eingelöst und die Souveränität der Philippinen zu einem erheblichen Teil an die USA und den Internationalen Währungsfond abgetreten. Nach den „Überzeugungsflügen“ der amerikanischen Jagdbomber am ersten Putschtag machte ein Senator den sarkastischen Vorschlag, den US-Botschafter künftig mit dem Titel „Generalgouverneur“ anzureden.
Nur eine kleine Minderheit profitiert von der neoliberalen Wirtschaftspolitik. Trotz verbesserter Weltmarktpreise für Exportprodukte wie Zucker, Chrom und Kupfer war das Außenhandelsdefizit bis Oktober 1989 bereits doppelt so hoch wie im gesamten Vorjahr. Umschuldungsverhandlungen nach dem sogenannten „Brady-Plan“ haben die gesetzten Ziele weit verfehlt. Die relativ stark gestiegenen Investitionen haben sich auf die hohe Arbeitslosen- und Unterbeschäftigungsquote von mehr als 40 Prozent nicht spürbar ausgewirkt. Häufig nicht gezahlte Mindestlöhne decken knapp die Hälfte der Lebenshaltungskosten einer Durchschnittsfamilie. Mehrere Millionen Pächter und Landarbeiter warten bis heute vergeblich auf konkrete Ergebnisse der Agrarreform, die sie von ihren feudalen Fesseln befreien soll. Auch der vor zwei Wochen ernannte Ressortchef, der vierte seit 1986, hat kaum Aussichten, das als Grundstein der Reformpolitik ausgewiesene Programm gegen den entschlossenen Widerstand der Großgrundbesitzer durchzusetzen.
Noch schwerwiegender als die wirtschaftliche Misere ist der politische Zerfall dieser selbsternannten „neu errichteten Demokratie“, deren Geburtsstunde - die „People-power„ -Volkserhebung gegen Marcos im Februar 1986 - von Aquino als Inspiration für die revolutionären Ereignisse in Osteuropa reklamiert wird. Doch anstatt gemeinsam mit vorhandenen Volksorganisationen eine progressive Regierungsplattform durchzusetzen, hat die Präsidentin der von ihrem Amtsvorgänger weitgehend entmachteten Elite zur Rückkehr verholfen. Neben Menschenrechtsverletzungen erweisen sich auch immer massivere Vorwürfe wegen Inkompetenz, institutionalisierter Korruption und Vetternwirtschaft als Achillesferse der Staatschefin.
Doch besonders in der Militärspitze wächst die Intoleranz gegenüber Kritik. Wenn es nach ihm ginge, hatte Stabschef de Villa Mitte Dezember erklärt, würden alle Medien dichtgemacht. Die von einigen Kommentatoren bereits jetzt als getarntes Kriegsrecht bezeichneten Vollmachten der Exekutive würden Aquino dann vollends zum Aushängeschild eines juntaähnlichen Gebildes machen, das von Verteidigungsminister Ramos und der ihm nahestehenden Militärfraktion dominiert wird.
Unabhängig davon, ob die jetzige Administration sich halten oder die untergetauchte Kerngruppe der Putschisten in den kommenden zwei Jahren genügend Kräfte für einen erfolgreichen Staatsstreich sammeln kann, rechnen nicht wenige politische Beobachter damit, daß in der ersten Hälfte der neunziger Jahre eine reine Militärregierung zum Zuge kommen wird. Schlechte Aussichten für ein „Jahrzehnt des Friedens“, das die Präsidentin am 1.Januar ausgerufen hatte.
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