„Armenier müssen auf Berg-Karabach verzichten“

Für Ahmed Jazdani aus dem iranischen Südaserbaidschan, Mitglied im Westberliner Aserbaidschanischen Komitee, sind die Aserbaidschaner die Opfer. Für ihn gibt es eine Lösung nur dann, wenn die „armenischen Extremisten“ ihre Ansprüche aufgeben  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Jazdani, in Aserbaidschan brodelt die Volksseele. Es kommt gegenüber den Armeniern in Aserbaidschan wieder zu neuen Übergriffen, Armenier werden ermordet. Wie erklären Sie sich das?

Ahmed Jazdani: Sie dürfen nicht vergessen, daß in Aserbaidschan über 200.000 Aserbaidschaner leben, die in den letzten Jahren aus Armenien flüchten mußten. Und diese Leute nehmen an den Demonstrationen teil. Sie sagen, man habe sie aus Armenien weggetrieben, deshalb müssen nun die Armenier aus Aserbaidschan vertrieben werden.

Vergessen Sie auch bitte nicht, daß es gegenüber Aserbaidschanern auch in Armenien zu barbarischen Pogromen gekommen ist. Dazu gibt es auch Dokumente, so z.B. von Russen gemachte Dokumentarfilme. Wenn hier im Westen ein einseitiges Bild über die Konflikte entstanden ist, dann auch deshalb, weil sich die christliche Welt emotional auf die Seite der Armenier stellt.

Aber irgendwie muß doch der Konflikt gelöst werden. Die Beschuldigungen auf beiden Seiten führen doch nur noch zu weiteren Grausamkeiten. Wie kann denn das Ihrer Meinung nach vor sich gehen?

Meines Erachtens müssen die armenischen Extremisten, die von einem Großarmenien träumen, zurückstecken und ihre Ansprüche auf Berg-Karabach aufgeben. Nur dann ist eine Lösung möglich.

Bisher gibt es doch nicht einmal eine Garantie von aserbaidschanischer Seite, daß die Armenier in der mehrheitlich von Armeniern bewohnten autonomen Region Berg -Karabach mit dem Leben davonkommen. Armenische Dörfer wurden von Hubschraubern aus angegriffen.

Das stimmt nicht. Es waren aserbaidschanische Dörfer, die angegriffen wurden. Wir haben früher friedlich mit Armeniern zusammengelebt, doch seitdem die Armenier die Forderung nach Vereinigung mit Berg-Karabach stellen, hat sich der Konflikt herausgebildet. Karabach heißt schwarzer Garten, es handelt sich ganz eindeutig um altes aserbaidschanisches Land. Noch vor kurzem gab es doch keinen Krieg, keine Widersprüche zwischen uns, erst als die Armenier den Anschluß Berg -Karabachs gefordert haben, stieg die Spannung.

Wie steht denn die Volksfront Aserbaidschans zu diesem Konflikt?

Erst einmal müssen Sie in Rechnung stellen, daß Aserbaidschan selbst ein geteiltes Land ist. Immerhin leben nach unseren Schätzungen über 18 Millionen Aserbaidschaner im Iran. Die Volksfront will, daß die nach 1946 abgebrochenen Verbindungen wieder möglich werden, die Grenze zwischen Iran und der Sowjetunion soll geöffnet werden. Die Volksfront will sich aber nicht unbedingt von der Sowjetunion abtrennen. Wenn aber die Rechte der Aserbaidschaner in der Sowjetunion nicht geachtet werden, wenn sich die Russen auf Seiten der Armenier stellen, dann tritt die Frage der Abtrennung von der Sowjetunion sicherlich auf die Tagesordnung. Die Volksfront tritt dafür ein, daß das Recht des aserbaidschanischen Volkes geachtet wird. Und die Volksfront sieht, wie sich die Russen weiterhin auf Seite der Armenier stellen. Die Volksfront fordert, daß die Grenzen gegenüber Armenien sicher werden, denn dauernd kommt es zu Übergriffen armenischer Extremisten auf aserbaidschanisches Gebiet.

Die Abtrennung von der Sowjetunion könnte also in Zukunft auf der Tagesordnung stehen. Doch zunächst geht es doch um Näherliegendes. Sicherlich sind die Grausamkeiten von beiden Seiten ausgegangen. Aber das gegenseitige Aufrechnen ist doch keine Lösung. Wie stehen denn die Intellektuellen auf beiden Seiten zu dem Konflikt, ist denn keine beschwichtigende Stimme von diesen Seiten zu erwarten?

Was uns, die Intellektuellen aus Südaserbaidschan, angeht, wir haben unsere Forderungen nach Aserbaidschan und nach Nordaserbaidschan geschickt. Wir sind der Auffassung, daß Berg-Karabach aserbaidschanisches Land ist und bleiben muß. Wenn die Armenier von Gebietsansprüchen absehen würden, würde es auch keinen Konflikt mehr geben. Man muß das Problem unblutig lösen, das sollten die Intellektuellen auf beiden Seiten fordern. Das geht aber nur, wenn die armenischen Extremisten zurückstecken und auf ihre Ansprüche verzichten.

Es gibt doch auch aserbaidschanische Extremisten...

Die sind aber in der Minderheit. Tatsache ist, daß die Aserbaidschaner von ihrer Seite nichts von den Armeniern verlangen. Die Armenier verlangen aber etwas von den Aserbaidschanern. Und das ist die Schwierigkeit.

Interview: Erich Rathfelder