: „Keine Abrüstung der Noten“
■ Musikschau der Nationen soll die Stimmung heben
Soldaten sind potentielle Musiker. Das inoffizielle Motto aller Militärmusikveranstaltungen und Blechumzüge schwebt auch über der diesjährigen „Musikschau der Nationen“, die vom 25. bis zum 28.Januar die Stadthalle wird erzittern lassen. An die 700 militärische, para-und vormilitärische Menschen werden sich vier Abende lang uniformiert und gleichmäßig ruckhaft bewegen und dabei einer Musikgattung huldigen, die in Blut und Bein geht. „Musik hebt die Stimmung und damit auch die Motivation der Soldaten“, lautet die Devise der Kapelle des „2nd Battalion Royal Anglian Regiment“, das in Celle lagert und erstmalig dabei ist.
Marschmusik wurde erfunden, Ordnung in soldatische Haufen zu bringen und Angst in stechendem Schritt und organisierter Bewegung aufzulösen. Physiologisch funktioniert das via Hormon
schüttung und eine Pulstrigge rung durch suggestive Rhytmen. Das erklärt, warum verbindliches Ornungskriterium für Marschmusik die „Schrittzahl“ ist, die bei deutscher Marschmusik bei 114 Schritte pro Minute, beim französischen Divisionsmusikkorps der „Chasseurs“ z.B. bei 144 liegt, wovon man sich in der Stadthalle wird überzeugen können.
Erstmalig nehmen - der Pressetext jubelt „Glasnost“ lettische Musikanten (ein studentisches Blasorchester und eine Volkstanzgruppe) teil. Leider gibt es ja noch Stoltenbergs „fossile Anordnung“ (so Mitveranstalter Prof.Walter Franke), nach der sowjetische Soldaten nicht in Uniform in die BRD einreisen dürfen, was solche Musikschauen entscheidend schwächt.
„Leichte Kavallerie“ wird gegeben, „Das große Tor von Kiew“ und - „das wird so erwartet, und wir werden es so bringen“ „Alte Kameraden“. Für die Freunde des Humors präsentiert sich das norwegische „Hamar Musikkorps AV 1898“ mit einer Lachnummer, einer „Persiflage auf Blasmusik“.
Logisches Endprodukt militärischer Betätigung ist das Grab. Deshalb zeugt es von feiner Dialektik, wenn der erwirtschaftete Überschuß der Musikschau der Kriegsgräberfürsorge zugute kommt, deren Landesvorsitzender Walter Franke das Spektakel mitorganisiert. Das Geld wird zum Beispiel dafür gebraucht, eine große Grabanlage in Riga herzurichten, die im Juni „eingeweiht“ wird. Im übrigen darf darüber spekuliert werden, ob die derzeit grassierende Abrüstung letztlich der Musikschau gefährlich werden kann; Franke jedenfalls hofft, daß es nicht zu einer „Abrüstung der Noten“ kommen wird. Bu
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