: Lloyd-Hotel: Wie multikulturell ist Milchreis?
■ AsylbewerberInnen verweigern Großküchenessen / Sie wollen Sozialhilfe lieber ungekürzt und in bar
Gestern mittag gab's im „Lloyd-Hotel“ am Hauptbahnhof Milchreis mit Zimt zu essen. Für alle. Deutsche Einheitskost aus der Großküche für die gesamte multikulturelle BewohnerInnenschaft. Die Herkunftsländer heißen DDR, Polen, Jugoslawien, Sow jetunion und Libanon. Am Essen entzündet sich der Streit. Er wird vorangetrieben von den kurdisch-libanesischen Flüchtlingen. Die ersten Teller flogen bereits durch die Kantine.
Das Lloyd-Hotel dient erst seit Mitte Dezember als Übergangswohnheim. Bis Ende März muß es schon wieder geräumt sein. Das besondere an diesem Übergangswohnheim: Zum ersten Mal leben
in Bremen Übersiedler, Aussiedler und Asylbewerber unter einem Dach. Das bedeutet auch: Zum ersten Mal müssen AsylbewerberInnen in Bremen mit einer Sammelunterkunft und mit Massenverpflegung Vorlieb nehmen. Die Sozialhilfe wird ihnen nicht mehr voll ausgezahlt, sondern um den Anteil für Verpflegung gekürzt. Sie haben damit, so erläuterten Sozialarbeiter, sechzig Prozent weniger Bargeld. Das ist bitter für die Familien, die einen Teil ihrer Sozialhilfe sparen wollen, um damit die Flucht von weiteren Verwandten aus dem Bürgerkriegsland Libanon zu finanzieren. Erwerbsarbeit ist ihnen bekanntlich verboten.
Das Prinzip der „Vollverpfle gung“ wurde im Lloyd-Hotel, so Senatsdirektor Hans-Christoph Hoppensack gegenüber der taz, aus der „Not heraus“ eingeführt. In der Kürze der Zeit habe man keine Küchen in die Zimmer einbauen können. Doch werde er „im Asylbereich“ künftig „Kantinenverpflegung systematisch einsetzen“. Bremen müsse ab sofort eine „abwehrende Haltung“ einnehmen: „Das Maß ist voll. Wir haben mindestens doppelt soviele Asylbewerber, als wir haben müßten.“
Auch die Begeisterung der Ex-DDR-BürgerInnen gegenüber der Einheitskost hält sich in Grenzen. Monika Christophori: „Milchreis ist nicht jedermanns Sache. Gerade für die Männer müßte es eigentlich ein Ausweichessen geben.“ Ihr Mann hat bereits Arbeit gefunden. Von seinem Lohn bezahlt er für sich, seine Frau und die beiden Kinder 800 Mark monatlich für die Verpflegung im Lloyd-Hotel. Monika Christophori: „Da kämen wir mit selber kochen billiger.“ Mehr als das Gemeinschaftsessen stören sie jedoch die Asylbewerber: „Für diese Sauerei, für diese Unordnung habe ich kein Verständnis.“ Silke Otto, Ex-Stralsunderin, hat eine ähnliche Einstellung: „Was nicht so schön ist, ist das Zusammenleben mit den arabischen und den polnischen Leuten. Die benehmen sich wie die Schweine.“ Zum Glück könne man eine Begegnung jedoch dadurch vermeiden, daß man so
lange warte, bis der „A-Bereich“, also Araber und Polen, mit dem Essen fertig sei. Auch haben die beiden Ex-DDR -BürgerInnen bereits Wohnungen in Aussicht.
Die AsylbewerberInnen aus dem Libanon rühren die Einheitskost in der Kantine mittags nur selten an. Die Kinder kommen nach dem Essen aber heimlich zur Essensausgabe, um sich einen Pudding, eine kleine Tüte Vollmilch oder einen Apfel abzuholen. Eine der kurdisch -libanesischen Mütter erklärt, daß sie sich von Verwandten Geld leiht, um
arabischen Kaffee, Reis und Hühnchenfleisch zu kaufen. Aus diesen Zutaten bereite sie im Haushalt ihrer Verwandten dann für ihre Familie orientalische Gerichte zu. Nein, von dem deutschen Essen würden ihre kleinen Kinder krank. Sie zeigt auf die Medikamente, die sich auf dem Schrank angesammelt haben.
Das Bremen-Norder Flüchtltingsbüro hat versucht zu vermitteln. Der Erfolg: Bald soll es im Lloyd-Hotel zum Frühstück auch mal ein Stück Schafskäse geben.
B.D.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen