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Der Vermieter kam mit Bodyguards

■ „Werra-Block“: Immobilien-Braun lädt zur Mieterversammlung / Hausmeister entlassen, Besetzer geräumt / Weiter 90 Wohnungen leer

Das Ehepaar aus dem Weigandufer 37 muß sich seine beiden Stühle mit einer 25jährigen Nachbarin teilen. Dabei haben sie noch Glück. Ein Teil der Mieter aus dem Neuköllner „Werra-Block“ kommt nicht einmal hinein - in das Hinterzimmer der „Uferlaterne“ in der Treptower Straße, in das der Hausbesitzer „Immobilien-Braun“ geladen hat.

Aber nicht nur das. Wer zur Mieterversammlung will, muß vorher ein Spalier von fünf Bodyguards passieren und sich ausweisen. „Aufgrund der Ihnen bekannten Übergriffe bitten wir um Ihr Verständnis“, heißt es dazu in der Einladung. Mit Übergriffen sind wohl die bisher mißlungenen Besetzungsversuche jugendlicher Wohnungssuchender gemeint. 90 Wohnungen stehen im „Werra-Block“ zum Teil seit drei Jahren leer.

Zum Beginn der dichtgedrängelten Versammlung bittet Braun -Vertreter Skoblo die rund hundert Bewohner zu berichten, welche Mängel in ihren Häusern behoben werden müssen. Seine Bitte verwundert. Haben die Mieter doch schon seit Jahren in Dutzenden von Briefen die Instandsetzung von Dächern, Decken, Abflußrohren und Treppengeländern gebeten, manche mit Rechtsanwalt. Wo die Beschwerden abgeblieben sind, beschäftigt die Gäste in der „Uferlaterne“ weniger - am vergangenen Montag abend will jeder schnell seinen eigenen Kram anmelden. Dabei kommt es unter den Mietern zu Tumulten, Skoblo bittet in seiner braunen Lederjacke immer wieder um „Ruhe“. Ein aussichtsloses Unterfangen, denn „hier ist es so voll wie in der U-Bahn nach dem 9. November“, stellt ein älterer Herr mit Vollbart brüllend im Stimmengewirr fest.

Aber die Beschwerden wollen nicht abreißen. Ein jüngerer Mieter will Aufklärung über die hohen Kosten für Hausreinigung und Ungeziefer-Beseitigung, die letztes Jahr von 3.300 Mark auf 27.000 Mark kletterten. Doch besonders ältere Mieter interessieren sich mehr für den Schmutz in den Treppenhäusern. Sofort haben Omas Hauswart Pieler am Wickel, der angeblich nie saubermachen soll. Auch Lederjacken-Skoblo ist „unbedingt daran interessiert, daß in allen Aufgängen Sauberkeit herrscht“. Der Hauswart ist „hiermit sofort gekündigt“, verkündet er der aufgebrachten Mieter-Menge. Danach stellt sich heraus, daß Pieler kaum noch sauber macht, weil Brauns Bauarbeiter die Treppenhäuser immer wieder mit Bauschutt und Mörtel verdrecken.

14 bis 20 Wohnungen sollen im nächsten Vierteljahr bezugsfertig sein, verspricht Skoblo einer SFB-Reporterin in ihr Mikro. Aber „wer kann sich dann die Miete von 15 Mark pro Quadratmeter leisten?“ fragt ein Mieter aus dem Weigandufer 38. „Gehen Sie doch in den Sozialismus“, rät Immobilien-Skoblo. „Eu, eu, eu“, johlt das Publikum.

Kurz vor Schluß johlen auch dunkle Gestalten von draußen durch die offenen Fenster. Einer von ihnen will den Mietern ein Flugblatt vorlesen. Aber so doll, wie die Schwarzbejackten immer behaupteten, scheinen sich die Mieter über Besetzungen im Werra-Block nicht zu freuen. „Ich will nach Hause, endlich raus hier“, schreit eine Mieterin. Im ungeordneten Aufbruch hört man noch die Wortfetzen „Arbeitslose“, „Sozialhilfeempfänger“ und „Wohnungsnot“. Elf Wohnungen hatten sie inzwischen wieder besetzt, berichtet einer der taz. Doch Montag abend räumte die Polizei. 18 Leute wurden vorläufig festgenommen.

Dirk Wildt

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