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Trotz Foltergefahr Syrer abgeschoben

■ Der Innensenat hat am 11. Januar einen 26jährigen vorbestraften Syrer nach Damaskus abgeschoben / Amnesty international versuchte vergeblich, die Aktion zu verhindern

Trotz drohender Foltergefahr hat die Berliner Innenverwaltung einen 26jährigen Syrer, Mohamed S., nach Damaskus abgeschoben. Der 26jährige, in Berlin wegen Drogenhandels mehrfach vorbestraft, war bereits einmal, 1984, nach Syrien abgeschoben und dort wegen angeblicher Kontakte zur verbotenen Moslembruderschaft verhaftet und gefoltert worden. Anwälte sowie die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) versuchten die Abschiebung bis zuletzt zu verhindern. Der zuständige Staatssekretär Borrmann habe an seiner Zustimmung zur Abschiebung jedoch festgehalten, erklärte Pressesprecher Thronicker, weil die Angaben des Syrers „allseits unglaubwürdig dargestellt waren.“

Mohamed S. war bereits am 11. Januar unmittelbar nach Ende seiner Haftstrafe nach Frankfurt und von dort in Begleitung zweier BGS-Beamter nach Damaskus geflogen worden. Die „Eskorte“ durch den Bundesgrenzschutz gefährdet nach Ansicht von ai-Mitarbeitern der Zentrale in London den Abgeschobenen zusätzlich. Diese Praxis käme auf dem Flughafen in Damaskus faktisch einer „Aushändigung“ an die syrische Geheimpolizei gleich, die ohnehin am Flughafen präsent sei. „Syrien akzepiert keine Abschiebungen ohne Begleitung durch Beamte“, gab der Sprecher der Innenverwaltung Thronicker als Begründung an.

Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes verlangen die syrischen Behörden in Abschiebefällen nicht nur Angaben zur Person, sondern auch zu möglichen Verurteilungen, Haftstrafen sowie den Abschiebungsgrund. In diesem Fall befürchtet amnesty international, daß der syrische Geheimdienst von dem Asylantrag erfährt, den S. während seines zweiten Aufenthaltes in Berlin gestellt hatte. Ehemalige Asylantragsteller haben nach Informationen von ai in Syrien mit Verfolgung zu rechnen.

Mohamed S. war erstmals im November 1979 nach West-Berlin eingereist. Im Januar 1981 wurde er zum ersten Mal wegen Drogenhandels zu einer Jugendstrafe verurteilt, die das Gericht zur Bewährung aussetzte. Er wurde rückfällig, mußte eine Gesamtjugendstrafe von drei Jahren antreten und wurde nach Ende der Haftzeit zum ersten Mal nach Syrien abgeschoben - ebenfalls in Begleitung von BGS-Beamten. Noch auf dem Flughafen wurde der damals 20jährige verhaftet - ein Landsmann hatte ihn angeblicher Kontakte zur verbotenen Moslembruderschaft bezichtigt. Während der Verhöre wurde er mit Knüppelschlägen und Wasserschocks gefoltert. Die Mitgliedschaft in der Moslembruderschaft gilt in Syrien als Verbrechen, das mit dem Tode bestraft wird. Nach Angaben von ai reicht für eine Verhaftung allein der Verdacht aus, Kontakte zu Moslembrüdern gehabt zu haben. Dank der Beziehungen seiner Angehörigen zu Regierungskreisen kam S. nach einem Monat wieder frei - allerdings mit der Auflage, das Land zu verlassen. Ein Asylantrag aufgrund seiner Verfolgung in Syrien wurde rechtskräftig abgelehnt.

Nach seiner Rückkehr nach West-Berlin wurde Mohamed S. zweimal wegen Drogenhandels verurteilt - zuletzt im März 1988 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Sowohl die Gruppenleiterin als auch der zuständige Gefängnispfarrer setzten sich gegen eine Abschiebung von S. nach seiner Strafverbüßung ein, weil sie seine Resozialisierungschancen als günstig einschätzten. Dem stand eine negative Prognose des Teilanstaltsleiters entgegen. Dabei hatte S. sogar ein konkretes Job-Angebot. Er hatte sich während seiner Haftzeit durch Computerkurse weitergebildet und hätte nach seiner Entlassung eine Stelle als Sachbearbeiter im EDV-Bereich antreten können.

Erschwerend kommt nach ai bei Mohamed S. hinzu, daß seine Familie das Land aufgrund der herrschenden Verhältnisse verlassen habe und nach Saudi-Arabien ausgewandert sei. Über das weitere Schicksal des Mannes nach seiner Ankunft in Damaskus liegen bislang keine Angaben vor.

anb

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