Neuseeland erneut von Frankreich gelinkt

Die angeblich rein zivile Radarstation der Franzosen auf Neuseeland ist auch militärisch nutzbar / Angst vor französischem Veto bei Agrarexporten ließ Regierung einlenken / Nach Ex-Premier Lange könnte die Affäre auch seinem Nachfolger politisch den Kopf kosten  ■  Aus Auckland Bernd Müllender

Neuseeland, jener Staat, der sich vor Jahren atomwaffenfrei erklärte, stets alle Nuklearversuche Frankreichs in der Südsee verdammte und atomwaffenbestückten US-amerikanischen Fregatten seine Häfen verweigerte, verliert zur Zeit viel Kredit bei allen, die an eine kompromißlose Antinuklearpolitik glaubten. Vor drei Jahren war dem französischen Wissenschaftsministerium erlaubt worden, auf den abgelegenen Chatham Islands eine hochmoderne Radarstation zu installieren, die, wie so viele High-Tech -Anlagen unserer Zeit, von den Technikern sehr menschelnd getauft wurde: Doris. Ihre Aufgabe bestand angeblich in geographischen und ökologischen Messungen sowie in Weltraumfotografie. Vergangene Woche war in Guyana der zugehörige Satellit ins All geschossen worden. Doch ausgerechnet jetzt muß die neuseeländische Regierung zugeben, daß die Franzosen „Doris“ gut für militärische Zwecke nutzen können, insbesondere, um die Zielgenauigkeit der eigenen Atomraketen zu verbessern. Ein Affront erster Güte in einem so anti-französischen Land wie Neuseeland.

Die aktuelle Affäre steht nicht allein. 1985 war im Hafen von Auckland das Greenpeace-Flaggschiff „Rainbow Warrior“ in die Luft gesprengt worden, wobei ein Greenpeace-Fotograf getötet wurde. Es war das Werk zweier französischer Geheimagenten. Sie wurden verhaftet, zu zehnjährigen Freiheitsstrafen verurteilt und später den Franzosen überstellt, damit sie auf dem Südsee-Atoll Hao in Gewahrsam bleiben. Diesen Deal hatte Paris dem damaligen Premier David Lange abgetrotzt - Faustpfand war Frankreichs Vetorecht in der EG gegen neuseeländische Agrarimporte. Unter mysteriösen Umständen flohen die beiden vor zwei Jahren und leben seitdem unbehelligt in Paris; die Attentäterin Dominique Prieur wurde 1989 sogar am Jahrestag des Sprengstoffanschlages zum Major befördert.

Das Nachgeben gegenüber Frankreich kostete Premier Lange, der lange Zeit sehr beliebt gewesen war, viel seiner Glaubwürdigkeit. Im vergangenen August war er politisch ausgelaugt und persönlich angeschlagen vom Amt zurückgetreten. Jetzt hat sein Nachfolger Geoffrey Palmer, ein farbloser Mann ohne großen Rückhalt in der Bevölkerung, seinen Eklat mit „Doris“ aus Paris. Dabei tauchte gleich der Verdacht auf, daß dieses Erbe im Zusammenhang mit der „Rainbow Warrior“ steht.

Denn das Genehmigungsverfahren war sehr merkwürdig, nämlich zeitgleich zur von der Regierung nur schwach kritisierten Flucht der staatlichen Bombenleger der Grande Nation, abgelaufen. Angeblich hatten die Franzosen 1987 beim staatseigenen Postunternehmen Telecom angefragt, ob sie deren Gelände auf den Chathams nutzen könnten. Telecom begrüßte die Idee, wurde im Rahmen der breitangelegten „Deregulation„-Kampagne der Labour-Regierung 1988 privatisiert und sah nun erst recht keinen Grund mehr, die Regierung zu konsultieren.

Erst im vergangenen Jahr, als „Doris“ längst bereit stand, will die Regierung von der Anlage erfahren haben und wurde mißtrauisch, als es Frankreich nicht für nötig befand, konkret zu antworten, wozu die HighTech-Dame denn nun gut sei.

Durchaus logisch wäre es also, daß Ex-Regierungschef Lange sehr wohl vom Radaranliegen wußte, aber, so erste Vermutungen der neuerlich entsetzten Öffentlichkeit, beim Austausch von Butter- und Lammexporten gegen zwei mordende Geheimagenten auch „Doris“ zum Geschäft gehörte.

Nachfolger Palmer steht im Wahljahr mit dem Rücken zur Wand: Sicher sei „die Hauptaufgabe“ der Radarstation zivil, man solle die Affäre „nicht hochspielen“, auch wenn „Neuseelands Souveränität in ernster Weise“ gefährdet werde. Aber einen Untersuchungsausschuß lehnt er kategorisch ab.

Die konservative Opposition kann die Dummheit der Regierung weidlich ausschlachten: „Unglaublich naiv“ sei es, eine fremde Macht eine solche Anlage installieren zu lassen, nachdem diese nur mal kurz mit der Post geredet habe: „Eine Radarstation ist ja nicht das gleiche wie ein neuer Telefonanschluß.“ „Die moralische Empörung über den französischen Staatsterrorismus“ sei nunmehr unglaubwürdig, nachdem „die Angelegenheit Doris so systematisch versteckt worden“ sei. Klarere Worte fand auch die neuseeländische Friedensbewegung nicht, ausgerechnet in der gleichen Woche, als die neue „Rainbow Warrior“ von Auckland zu ihrem ersten Auftrag ausgelaufen ist. Ziel: die gigantischen japanischen Fischflotten, die mit Riesennetzen das Meer leerfangen und rücksichtslos viele Arten in ihrem Bestand bedrohen.