: „Wer grün wählt, bestätigt Lafontaine“
Die Spitzenkandidaten der Saar-Grünen, Nanett Koch (60) und Michael Burkert (37), wollen die rot-grüne Koalition ■ I N T E R VI E W
taz: 2,5 Prozent bei der letzten Wahl, seither politisch und personell kaum präsent, den medienwirksamen Knatsch zweier durchgeknallter Bundesvorstandssprecherinnen im Nacken, einen populären Lafontaine vor der Brust - wie soll den Grünen der Einzug in den Landtag gelingen?
Michael Burkert: Ich denke, daß den meisten, die zwischen Rot und Grün schwanken, klar geworden ist, daß an der Saar in der Umweltpolitik wenig bis gar nichts passiert ist. So haben die Bürgerinitiativen z.B. im Umweltbereich eine absolute Negativbilanz der letzten fünf Jahre aufgemacht und Übereinstimmung mit uns festgestellt.
Wir werden diesmal einen Stammwähleranteil von mehr als vier Prozent haben. Die zwischen Rot und Grün Schwankenden müssen sich entscheiden, was sie mit ihrer Stimme machen: Es kann passieren, daß wir bei 4,9 Prozent landen und Oskar bei 47,8. Dann ist er seine Mehrheit los und von rechten Parteien abhängig. Die Wechselwähler werden die Wahl entscheiden, die für uns auch unter dem Motto steht: „Umweltminister Leinen abwählen“.
Grüne Alternativen dominieren nicht gerade die öffentliche Diskussion. Fünf Jahre hatte die Partei Zeit, sich gegen Leinen, der einzig seiner Container-Leidenschaft treu geblieben ist, zu profilieren. Wurde die Chance vertan?
Nanett Koch: Die Medien hier bringen wenig von uns rüber. Vor fünf Jahren stimmten die SPD-Versprechen auch mich hoffnungsvoll. Ich dachte, jetzt passiert mal was, wenn der Oskar an die Regierung kommt. Aber es kam anders. 1985 versprach die SPD, sofort ein Müllvermeidungskonzept zu entwickeln, anstatt die Müllverbrennungsanlage zu planen. Umgekehrt haben sie es dann gemacht. Flächendeckend sollte die Biotonne aufgestellt werden, vor einer Woche kündigte Leinen an, sie würden noch im Januar im Saar-Pfalz-Kreis damit anfangen. Die SPD beschloß, den Saar-Kanal nicht über Völkingen hinaus zu bauen. Jetzt soll der Hafen in Burbach kommen.
Es gibt Grüne, die hier seit Jahren arbeiten, denen selbst die SPD Kompetenz und Ausstrahlung bescheinigt. Wie wurden Sie, Frau Koch - seit fünf Monaten Parteimitglied Spitzenkandidatin?
Koch: Die Grünen verstehen sich als parlamentarischer Arm der außerparlamentarischen Bewegung. Und es ist sehr positiv, daß ein Mensch, der nicht lange in der Partei ist, aber verdeutlicht hat, daß er grüne Politik verwirklicht, Spitzenkandidat werden kann. Ich bin seit 20 Jahren in Bürgerinitiativen und in der Friedensbewegung aktiv. Im August hab ich mir überlegt, daß die Grünen jetzt wirklich in den Landtag müssen und ich mithelfen möchte. Darüber hinaus beweist meine Kandidatur, daß die Grünen ein anderes Verhältnis zu den Frauen haben als die etablierten Parteien.
Werden Sie damit beeindrucken können? Lafontaine wirbt bei jungen rot-grünen WechselwählerInnen weniger mit Frauenpolitik als mit den Beinen von Ute Lemper und der Stimme von Peter Maffay.
Koch: Ob Frauenpolitik hier keine Rolle spielt, kann ich nicht so einfach beantworten. Tatsächlich redet Lafontaine von Feminisierung, tut aber nichts. Und die SPD-Frauen kommen nicht nach oben. Das ist der Unterschied zu uns. Wir bemühen uns, die Gleichberechtigung zu verwirklichen. Für die Männer ist das ein heilsamer Prozeß mit viel Konfliktstoff.
Lafontaine macht aus seiner Abneigung gegen die schwarze Saar-FDP und die Grünen keinen Hehl. Sofern er nach dem 28. zu einer Koalition gezwungen wäre, wen würde er bevorzugen?
Burkert: Momentan macht Lafontaine genau das, was er bei den letzten Wahlen den anderen Parteien vorgeworfen hat: die Wähler im unklaren zu lassen, was passiert, falls die SPD nicht die absolute Mehrheit erringt. Sollte er seine auf dem Berliner Parteitag vorgetragenen Politikvorstellungen ernst meinen, kann er sie nur mit den Grünen umsetzen.
Koch: Die Genossen putzen dem Monarchen höchstens die Schuhe. Da muß was passieren. Und die Wähler müßten wissen, daß derjenige, der grün wählt, im Grunde den Ministerpräsidenten bestätigt.
Interview: Petra Bornhöft
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