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„Meine Wahl kam auch für mich sehr überraschend“

■ Letzte Woche wurde an der Fachhochschule für Wirtschaft (FHW) ein neuer Rektor gewählt / Völlig überraschend ging der nur als Zählkandidat nominierte Professor Tolksdorf als Sieger aus der Wahl hervor / Der Favorit Uherek wurde nur Zweiter / Die taz sprach mit dem Gewinner Tolksdorf

Nach der für alle Beteiligten überraschenden Wahl des nur als Zählkandidat angetretenen Michael Tolksdorf zum Rektor der Fachhochschule für Wirtschaft (FHW) wird die Wahl von unterschiedlichen politischen Richtungen scharf kritisiert. Aus der Ecke der rechten Professoren der FHW wird die Wahl als undemokratisch bezeichnet, da im Konzil nur Kandidaten einer politischen Gruppierung, der Reformgruppe, zur Wahl standen - eine Folge des von der CDU verabschiedeten gültigen Hochschulgesetzes. Die AL-Studentenvertreter kritisieren die Wahl als frauenfeindlich, da nach ihrer Meinung eine erst kürzlich an die Hochschule berufene Professorin die bessere Rektorin wäre. Die taz wollte nun vom Überraschungsrektor Michael Tolksdorf wissen, wie er die Situation beurteilt.

taz: Herr Tolksdorf, angetreten als Zählkandidat, sind Sie überraschend zum Rektor der FHW gewählt worden. Wie fühlen Sie sich in dieser neuen Position?

Tolksdorf: Nach den neuesten Informationen, daß die Wahl angefochten worden ist, ist vielleicht die ganze Voraussetzung Ihrer Frage hinfällig geworden. Aber es ist schon eine Situation, an die ich mich erst noch gewöhnen muß, insofern ist es für mich noch eine durchaus befremdende Situation, in der ich mich befinde.

Wollen Sie Ihr Rektorenamt ausüben oder wollen Sie bald wieder zurücktreten?

Nachdem ich nach Rücksprache mit meiner Fraktion gesagt habe, daß ich das Amt annehme, habe ich schon vor, es auszuüben.

Was hat sich denn vor der Wahl hinter den Hochschulkulissen abgespielt?

Das im einzelnen zu sagen, ist fast abendfüllend. In bezug auf einen großen Teil der Tatbestände, die im Hintergrund stattgefunden haben, bin ich ein klein wenig ratlos. Es ist aber unbestritten, daß es im Akademischen Senat einige Streitigkeiten gegeben hat über die Aufstellung von Kandidaten, und daß es diese Dreierliste gab, war das Ergebnis von Kampfabstimmungen.

Warum gab es auf der Dreierliste keine ernsthaften Gegenkandidaten? War es wie bei den letzten Präsidentenwahlen an TU und FU eine gewollte Einheitsliste?

Das war das Ergebnis einer sehr langen Auseinandersetzung innerhalb meiner Fraktion, der Reformgruppe Hochschullehrer und mit studentischen Gruppierungen. Man hatte sich darauf verständigt, im Akademischen Senat und im Konzil darauf hinzuwirken, daß der von meiner Fraktion mehrheitlich gewollte Kandidat auch zum Rektor gewählt wird, und das war Edgar Uherek. Aus diesem Grunde war man bemüht, eine Liste zu finden, die die Wahl Edgar Uhereks nicht gefährdet. Daher dieser Dreiervorschlag.

Betrachten Sie Ihre Wahl als Affront gegen Frauenpolitik, gegen Frauen als Leiterinnen von Hochschulen, wie es von den AL-Studentenvertretern gesehen wird?

Das sehe ich nicht so. Die Frage, ob ich gegen einen männlichen Kandidaten mit der gleichen Qualifikation wie die mögliche Bewerberin angetreten wäre, hätte ich bejaht, auch mit dem Argument, daß der Leiter einer Hochschule diese längere Zeit kennengelernt haben sollte. Das konnte Frau Gensior noch nicht, so daß ich nicht das Gefühl habe, frauenfeindlich vorgegangen zu sein.

Wie bewerten Sie, daß Sie von Leuten gewählt worden sind, die aus der entgegengesetzten, nämlich der ganz rechten Ecke stammen?

Bei geheimen Wahlen weiß man natürlich nicht genau, wer einen gewählt hat, aber unterstellen wir mal, daß Ihre Vermutung richtig ist. Ich bewerte es dahingehend, daß sich ein gewisser Widerstand gegen den bisherigen Rektor aufgebaut hatte und daß gehofft wurde, mit einem Kandidaten, der nicht Uherek heißt, eine Möglichkeit zu haben, bestimmte Verhärtungen, Frontenbildungen leichter aufbrechen zu können.

Was haben Sie sich an inhaltlichen Schwerpunkten für Ihre Amtszeit vorgenommen?

Das wäre eigentlich Aufgabe eines Kandidaten, darüber Rechenschaft abzulegen, was er inhaltlich vorhat. Meine Wahl kam ja auch für mich sehr überraschend. Ich habe mir daher vorgenommen, die inhaltlichen Sachen, an denen ich jetzt noch arbeite, das erste Mal vor den Studenten vorzutragen, wozu mich auch der AStA eingeladen hat. Ich möchte dies zuallererst den Angehörigen der Hochschule und dann den Leuten außerhalb der Hochschule vorstellen.

Interview: Thomas Lecher

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