: „Wer kontrolliert den Staatsschutz?“
■ Wie verhältnismäßig die Polizei unsere Daten schützt / Ausschuß fordert „Schulung“
Wie kommen zwei Frauen, die gegen Jugendarbeitslosigkeit demonstrieren, in den Staatsschutz- und Terrorismus-Computer des Bundeskriminalamtes, APIS? Der Datenschutz-Ausschuß des Bremer Parlaments hat sich am Mittwoch mit dieser Frage befaßt und erfahren: Gegen die beiden ist ein Ermittlungsverfahren anhängig wegen „Werbung zur Mitgliedschaft bzw. Gründung einer KPD-Organisation“. Und wer einmal in diesem Computer-System gespeichert ist, darf auch gegen Jugendarbeitslosigkeit nicht mehr ohne Anmeldung demonstrieren. „Das ist genau der Punkt“, erregt sich der Datenschutzbeauftragte Büllesbach über einen derartigen Umgang mit Daten. Denn wenn etwa die bayerische Polizei beim BKA nach dem entsprechenden Namen fragt, bekommt sie die Auskunft: zweifach gespeichert. Und schon ist frau eine gefährliche Staatsschutz- und Terror-Verdächtige...
Bagatell-Sachen sollten nicht gespeichert werden, hatte der Datenschutzbeauftragte gefordert, und wenn ein Freispruch vor Gericht erfolgt, sollte sofort gelöscht werden. (vgl. taz 11.9.89/16.1.90) Von 36 Vorgängen, die er geprüft hatte, waren 22 solche Bagatellen. Der eine Fall der Demonstrantinnen ist gelöscht. Und was ist mit den 21 anderen Fällen? Der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Peter M. Pawlik (CDU), teilte auf taz-Nachfrage mit, er gehe davon aus, alle gelöscht sind. Davon geht auch der Grüne Martin Thomas aus. Der Ausschußvorsitzende Horst Isola (SPD) meinte derweil, die 21 seien nicht gelöscht. Der Behördensprecher Kleen teilte mit, einige der als Bagatell -Fälle monierten Speicherungen seien gelöscht, aber nicht alle. Offen ist derweil, nach welchen Kriterien der Innensenator die Beanstandungen des Datenschutzbeauftragten akzeptiert. Offen ist auch, was mit all den anderen Bagatell -Speicherungen ist, die nicht stichprobenartig geprüft wurden, passiert - das sind nach Schätzungen des Datenschutzbeauftragten 50% der Meldungen an den BKA -Computer.
Daß in der jahrelangen Praxis der Datenweitergabe aus Bremen an das BKA die „Verhältnismäßigkeit“ verletzt wird, ist für den Grünen Datenschutz-Vertreter Thomas ein „Rechtsbruch“. Hinzu komme, daß für den Computer selbst die seit 1983 gebotene Rechtsgrundlage fehlt. Thomas: „Rechtsbrüche werden durch Rechtsbruch verfolgt.“
Immerhin hat der Ausschuß in seiner Stellungnahme zum Datenschutzbericht nicht nur die Schulung der entsprechenden Beamten gefordert, sondern auch - gegen die Stimmen der CDU und der FDP - eine klare Interpretation der Verhältnismäßigkeit beigefügt: lediglich Delikte, „deren Schwere typischen Staatsschutz-Delikten und terroristischen Gewalttaten vergleichbar“ ist, sollten ans BKA geliefert werden. Nicht also Demonstrationen, Zerstörung von Wahlplakaten oder ähnliches, wie es die Bremer Polizei seit Jahren tut. Ob die Praxis der Bremer Polizei sich ändert, ob und nach welchen Kriterien die bisher gespeicherten Fälle überprüft werden, erfährt der Parlamentsausschuß vielleicht beim nächsten Bericht des Datenschutz-Beauftragten... Der Grüne Abgeordnete Martin Thomas nimmt den leichtfertigen Umgang der Polizei und der politisch verantwortlichen Behörde des Innensenators mit Bürger-Daten zum Anlaß, die Frage aufzuwerfen: „Wer kontrolliert den Staatsschutz?“ Im Unterschied zum Verfassungsschutz gebe es keinen Parlamentsausschuß, dem der Staatsschutz direkt rechenschaftspflichtig ist, meinte der Grüne.
K.W.U-Satz:!!!!
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